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Rückstände von Medikamenten Rückstände von Medikamenten: Arznei macht Fische in Sachsen-Anhalts Gewässern krank

Von Sophie Elstner 06.08.2018, 09:00
In der Selke wurden Rückstände von Medikamenten nachgewiesen.
In der Selke wurden Rückstände von Medikamenten nachgewiesen. imago/imagebroker

Halle (Saale) - Viele Flüsse und Grundwässer in Sachsen-Anhalt sind mit Rückständen von Arzneimitteln belastet. Zu diesem Schluss kommt der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft des Landes (LHW). Er untersuchte seit 2002 Wasser an mehreren hundert Messstellen.

An 70 Stellen wurden im Grundwasser Rückstände von Medikamenten gefunden, ebenso in mittleren und kleinen Flüssen wie der Selke, der Holtemme (Landkreise Harz und Börde) oder der Ziethe (Landkreis Anhalt-Bitterfeld). Das hat zwar keine Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, wohl aber auf Tiere und die Umwelt.

Diclofenac, Antiepileptika, Antibiotika in Gewässern nachgewiesen

Dabei tauchen bestimmte Stoffe immer wieder auf. Sowohl im Grundwasser als auch im Oberflächenwasser werden häufig das Schmerzmittel Diclofenac, Antiepileptika, Antibiotika sowie verschiedene Röntgenkontrastmittel nachgewiesen. Die Substanzen gelangen etwa über menschliche Ausscheidungen ins Abwasser.

Der LHW geht aktuell davon aus, dass die Rückstände dann durch defekte Kanäle, aber auch durch Versickerung aus Kleinkläranlagen in das Grund- und Oberflächenwasser gelangen. Vermutet wird dabei auch eine Interaktion zwischen belasteten Fließgewässern und dem Grundwasser. „Viele Wirkstoffe lassen sich mit den herkömmlichen Kläranlagen, die nach dem Stand der Technik arbeiten, nur unzureichend herausfiltern“, erklärte Katrin Fräbel, Sprecherin des LHW.

Laut Umweltbundesamt können Arzneimittelrückstände in der Natur den Stoffwechsel von Organismen beeinflussen, das hormonelle Gleichgewicht verschieben oder die Signalübertragung zwischen Zellen verändern. So würden Rückstände der Antibabypille zu einer Verweiblichung von Fischen führen und die Reproduktion stören, Diclofenac schädigt bei Fischen Organe wie Leber und Niere. Antibiotika hemmen das Wachstum von Algen und Pflanzen.

Verunsicherung bei Entsorgung von Medikamenten

Um einen sorglosen Umgang mit den umweltbelastenden Stoffen zu verhindern, fordern Fachleute einen Aufschlag auf Wirkstoffe, die die Umwelt schädigen können. Der Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt lehnt dies jedoch ab. „Das ist praktisch gar nicht umsetzbar“, sagte Mathias Arnold, Apotheker aus Halle und Chef des Landesapothekerverbandes, der MZ.

Abrechnung und Verwaltungsaufwand für die Apotheken seien nicht abzuschätzen. Sinnvoll sei laut Arnold nur die Aufklärung, damit Medikamente nicht in der Toilette heruntergespült werden und auf diesem Wege die Gewässer zusätzlich belasten.

Bei der Entsorgung von Medikamenten herrscht nach Angaben Arnolds Verunsicherung. Denn früher hätten Apotheken abgelaufene Arzneien zurücknehmen und entsorgen können, doch die Gesetzeslage hat sich vor etwa zehn Jahren geändert. Apotheken nehmen Altmedikamente demnach nur noch in Ausnahmefällen zurück - für sie entstehen dadurch höhere Entsorgungskosten. In den meisten Fällen gehören alte Medikamente nun in den Hausmüll, so etwa im Harz,

in Wittenberg, Dessau-Roßlau, Mansfeld-Südharz und im Burgenlandkreis. Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld, der Saalekreis, der Salzlandkreis sowie die Stadt Halle raten dazu, Arzneien zu Schadstoffmobilen oder Recyclinghöfen zu bringen, grundsätzlich können sie aber in der Restmülltonne entsorgt werden. (mz)