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Riesenbärenklau Riesenbärenklau in Sachsen-Anhalt: So leiden die Menschen unter der Pflanze

Von Ralf Böhme 23.10.2017, 08:00
Heinrich Laas berichtet von Aufzucht- und Futterexperimenten.
Heinrich Laas berichtet von Aufzucht- und Futterexperimenten. dpa

Bernburg - Das gescheiterte Experiment mit Riesenbärenklau Anfang der 1960er Jahre in Bernburg (Salzlandkreis) hatte eine größere Dimension als bisher angenommen. Wie der vermutlich letzte Zeitzeuge des gescheiterten Futterexperimentes mit der Pflanze aus dem Sowjet-Kaukasus mitteilt, war die Versuchsfläche im heutigen Stadtteil Strenzfeld bis zu viermal größer.

Heinrich Laas, damals für die Futterversorgung des Lehr- und Versuchsgutes verantwortlich, sagte: „Ich habe noch einmal nachgerechnet. Ein halbes Fußballfeld, das reicht nicht. Ich bin mir jetzt sicher, dass die Anbaufläche an die zwei Hektar betrug.“ Das entspräche etwa zwei Fußballfeldern.

Nach dieser Aussage des 89-jährigen Landwirtes erscheint es nunmehr noch wahrscheinlicher, dass die rasante Ausbreitung des gefährlichen Riesenbärenklaus in Sachsen-Anhalt ihren Ausgangspunkt auf dem Forschungsgelände hatte.

Die imposanten Pflanzen, die während des Versuchs von den Kühen wider Erwarten verschmäht wurden, eroberten trotz Umpflügens des Ackers bald die nähere und weitere Umgebung. Eine einzige Pflanze kann schließlich bis zu 50.000 Samen abwerfen.

Sachsen-Anhalt: Menschen im ganzen Land machen schlechte Erfahrungen mit dem giftigen Riesenbärenklau

Seither haben offenbar viele Menschen in Sachsen-Anhalt schlechte Erfahrungen mit Riesenbärenklau machen müssen. Das belegen die zahlreichen Reaktionen von MZ.de-Usern, die sich oft nicht vorstellen können, dass der Zeitzeuge bei dem Pflanzenexperiment keine gesundheitliche Folgen erlitten hat.

Laas berichtete von einem Selbstversuch, bei dem er Saft des Riesenbärenklau auf dem Arm verrieben und sich danach gesonnt habe - ohne jede Reaktion, wie er auch auf Nachfrage noch einmal betonte.

Als gefährlich gilt der Stoff Furocumarin. Er ist in den Härchen an den Stängeln der Staude enthalten. Gelangt das Furocumarin auf die Haut, entsteht eine Überempfindlichkeit auf Sonnenlicht. So können unter Sonneneinstrahlung schwer heilende, schmerzhafte Verletzungen entstehen, die Brandwunden ähneln.

Das erlebte etwa Karl Jahns, ehemals Chef der Lehr- und Versuchsgärtnerei der damaligen Pädagogischen Hochschule Köthen. Ein Jahr habe es gedauert, bis die Handteller großen Wunden an den Unterarmen abgeheilt seien.

Zugezogen habe er sich die Verletzungen, weil die von ihm geleitete Einrichtung gleichfalls mit Riesenbärenklau experimentierte. Insofern gehörten die Köthener wohl zu den Wegbereitern der Pflanzenart, räumt Jahns ein: „Heracleum giganticum, so hieß das variantenreiche Material, das Studenten Mitte der 1960er Jahre von einer Exkursion an der Ostseeküste mitgebracht hatten.“

Ein Problem besteht auch darin, dass sich die genaue Herkunft des Samens selten ermitteln lässt. So berichtet Leser Arndt Kästner, dass nach seinen Recherchen Riesenbärenklau als Zierpflanze nach 1815 am Wiener Hof blühte. Der russische Zar habe damit einen Wunsch von Fürst Metternich erfüllt, dem die üppigen Blüten gefallen haben sollen. Insofern sei die Bezeichnung der Pflanze als „Stalins Rache“ aus seiner Sicht nur umgangssprachlich zu akzeptieren.

Vor den Gefahren, die vom Riesenbärenklau ausgehen können, warnt auch Lothar Haring aus Niemberg (Saalekreis). Sein Versuch, das Gewächs einzudämmen, sei kläglich gescheitert. „Ich habe etliche Blütenstände zwar geköpft, doch geholfen hat es nichts. Entlang unseres Dorfbaches wuchert das Zeug schlimmer denn je.“

Obwohl er extra eine Sichel an einen langen Stiel band, kam er mit den Pflanzen in Kontakt. Die Folge: schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Harings Fazit: „Mit Einzelaktionen kriegt man die Plage nicht mehr in den Griff.“

Riesenbärenklau in Sachsen-Anhalt: Diese Tipps gibt es gegen die Gift-Pflanze

Andere Praktiker wie Rüdiger Schiller aus Halle empfehlen, die Staude im Frühjahr mitsamt der Wurzel auszugraben - geschützt mit Handschuhen. Später wäre der Aufwand bedeutend größer. Dann wäre etwa eine komplette Schutzbekleidung erforderlich.

Für die Bekämpfung des Riesenbärenklaus gibt es indes noch kein landesweites Konzept. Die Umweltämter der Landkreise sind zunächst angehalten, Meldungen zu Standorten entgegenzunehmen. Die Informationen sollen zusammengeführt werden, um 2018 einen Überblick zu erreichen.

Gleichzeitig sollen ein bundeseinheitliches Beobachtungssystem sowie ein Konzept zur Gefahrenabwehr entwickelt werden. „Erst danach lässt sich der finanzielle Aufwand abschätzen“, sagt Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne). Jeder Fall sei einzeln in seiner regionalen Ausbreitung zu betrachten. Auch deshalb brauche es vielfältige Lösungsansätze. (mz)