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Reaktionen Reaktionen: Stahlknecht schickt Polizisten mit Maschinenpistolen zu Weihnachtsmärkten

Von Hagen Eichler 20.12.2016, 14:29
Abgeordnete debattieren im Plenarsaal vom Landtag Sachsen-Anhalt in Magdeburg.
Abgeordnete debattieren im Plenarsaal vom Landtag Sachsen-Anhalt in Magdeburg. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Nach dem Terroranschlag von Berlin stellt Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) Polizisten mit Maschinenpistole vor die Weihnachtsmärkte. Zwischen den Buden sollen weitere Beamte mit leichter Bewaffnung patrouillieren. „Die Polizeipräsenz wird sichtbar erhöht“, sagte Stahlknecht am Dienstagmittag bei einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in der Magdeburger Staatskanzlei.

Dem Vorschlag, die Zufahrten zu Weihnachtsmärkten mit Betonpfeilern zu sichern, erteilte er eine Absage. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka hatte das am Vormittag gefordert. „Sie können um Veranstaltungen keine Mauern errichten“, sagte Stahlknecht.

Stattdessen sollen quergestellte Polizeifahrzeuge verhindern, dass Attentäter Lastwagen in die Menge steuern. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es allerdings nicht, sagte der Minister mit Blick auf Drohnen. „Man kann heute für wenig Geld Dinge kaufen, die von oben kommen.“

Ministerpräsident Haseloff sagte, der Staat werde sich gegen Angriffe wie den in Berlin zu wehren wissen. „Wir lassen uns nicht einschüchtern und unter Druck setzen.“

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht hält Sicherheitslage im Land nach Anschlag in Berlin für unverändert

Auf MZ-Nachfrage kritisierte er die Formulierung des saarländischen Innenministers Klaus Bouillon (SPD), Deutschland sei „im Kriegszustand“. „Wir werden uns eine solche Einschätzung nicht zu eigen machen.“ Innenminister Stahlknecht sprach von einer hohen Gefährdungslage. Zu den Gefährdern gehörten auch Personen mit militärischer Ausbildung. „Es gibt eine Art Partisanenzustand. Aber es gibt keinen Angriff auf Deutschland.“

„Die Sicherheitslage in Deutschland hat sich nicht verändert“, sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Seit den Anschlägen in Frankreich sei man schon von der höchsten Gefährdung ausgegangen. „Das hat sich nun leider bewahrheitet.“

Stahlknecht kündigte auch an, dass ebenfalls Flüchtlingsheime stärker bewacht werden sollen – als Schutz für die Bewohner, weil nicht auszuschließen sei, dass Extreme dort auf die Ereignisse in Berlin „reagieren“. Der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka schlug vor, die passive Sicherheit von Großveranstaltungen zu verbessern.

Da Lastwagen als Waffen eingesetzt würden, könne man Zufahrtstraßen mit Betonblöcken sichern. „Die Dresdner Polizei hat damit am 3. Oktober dieses Jahres bereits gute Erfahrungen gesammelt“, sagte Lischka. Er rief zugleich zur Besonnenheit auf. Terror, Hass und Wut dürften nicht die Oberhand gewinnen.

Sachsen-Anhalts AfD-Vorsitzender André Poggenburg hatte bereits am Montagabend von einem terroristischen Anschlag gesprochen – die Berliner Polizei nutzte diese Formulierung erst am Dienstagmorgen. Das „Gutmenschengejaule“ werde bald einsetzen, twitterte Poggenburg in der Nacht.

Die AfD dürfe nicht die Wahrheit sagen, weil das die Opfer verhöhne, so sein Vorwurf. Am Dienstagvormittag legte Poggenburg nach. „Multikulti im jeden Preis kostet eben innere Sicherheit“, sagte er und forderte den Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben aus Weißenfels kritisierte die Aussage unmittelbar danach. „Schämen Sie sich, keiner kennt die Hintergründe, Sie versuchen schon wieder die Opfer für Ihre Propaganda zu missbrauchen.“

Sachsen-Anhalt: SPD-Innenpolitiker Erben für maßvollen Einsatz der Polizei nach Anschlag in Berlin

Zum Vorgehen von Innenminister Stahlknecht sagte Erben der MZ, Polizeipräsenz sei sehr wichtig. Allerdings müsse man „Maß und Mitte wahren“. „Wenn ich mir vorstelle, der Weihnachtsmarkt meiner Heimatstadt Weißenfels würde durch zehn Polizisten mit Maschinenpistolen bewacht, würde das mehr Unsicherheit auslösen als Sicherheit.“ Unabhängig von der Frage, wer für die Berliner Attacke verantwortlich sei, müssten die Behörden schnellstmöglich die Identität aller Flüchtlinge klären. „Mittlerweile sind alle erfasst. Wir müssen aber prüfen, wer mit mehreren Identitäten aktiv ist. Das ist die Aufgabe des Bundesinnenministers.“

Sachsen-Anhalts Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU) nannte den Anschlag einen „menschenverachtenden Angriff auf uns alle“. Er zeige, wie verwundbar wir sind. „Er zeigt uns aber auch, dass wir eng zusammenstehen müssen und uns mit aller Kraft gemeinsam für Frieden, Freiheit und Mitmenschlichkeit in einer freien Gesellschaft einsetzen müssen.“

Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, sagte, die Gewalt und der sinnlose Tod von vielen Menschen überschatteten das Fest. „Ich schließe sie in mein Gebet ein, genauso wie die vielen Rettungskräfte, die schnell zur Stelle waren.“

Der Kirchenpräsident der evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, mahnte, „ mit dem Schrecken des Terrors zivilisiert umzugehen“. Als Beispiel nannte er Norwegen nach dem Anschlag des Rechtsextremisten Andres Behring Breivik.

„Unser Land würde den Terroristen in die Hände spielen, wenn wir von unserer rechtsstaatlichen Ordnung abwichen. Unsere französischen Freunde haben uns gezeigt, wie wir furchtlos unsere Lebensart gegen Mörderbanden verteidigen können und uns nicht einschränken lassen.“

Die Stadt Magdeburg reagierte am Dienstag und ließ den Historischen Weihnachtsmarkt südlich des Rathauses durch Betonsperren sichern. „Die Polizeidirektion hat uns darum gebeten. Wir haben das sofort in Auftrag gegeben“, sagte Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra.

Am Montagabend war ein Lastwagen mit polnischen Kennzeichen in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gefahren. Mindestens zwölf Menschen starben dabei. (mz)