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Gesundheit Raus aus der Unsportlichkeit: Wie wichtig Bewegung im Alter ist

Teil 2 der Serie „Gesundes Sachsen-Anhalt“: Lange leben und gesund bleiben – das ist das Ziel bei „Longevity“. Bewegung ist dafür einer der wichtigsten Faktoren. Wie sich der 59-jährige Michael Oppelt aus seiner Unsportlichkeit kämpfte.

Von Lisa Garn 22.01.2025, 16:05
Ihm fährt keine Straßenbahn mehr weg, sagt Michael Oppelt. Zum Sport führte ihn ein Aha-Erlebnis – seitdem fühlt sich wesentlich fitter und ausgeglichener.
Ihm fährt keine Straßenbahn mehr weg, sagt Michael Oppelt. Zum Sport führte ihn ein Aha-Erlebnis – seitdem fühlt sich wesentlich fitter und ausgeglichener. Foto: Steffen Schellhorn

Michael Oppelt läuft sich langsam ein. Er joggt in grünem Shirt und eng gebundenem Tuch um den Kopf langsam seine Runden. Zwischendurch beschleunigt er, in der 130 Meter langen Laufhalle ist er hinten kaum mehr zu erkennen. Der Raum im Sportkomplex Robert-Koch-Straße in Halle ist sichtlich in die Jahre gekommen, Putz bröckelt, die Geräte sind alt. Es ist eine Übergangslösung für die Leichtathleten des USV Halle, die eigene Heimstatt wird gerade saniert. Oppelt nimmt die Einschränkungen nicht so wahr: „Ich bin hier, um Sport zu machen, zweimal die Woche. Das werde ich die nächsten Jahrzehnte machen – egal wo“, sagt der 59-Jährige. Er legt damit die Basis, um fit zu bleiben auch in hohem Alter noch. „Denn wer gesund bleiben will, sollte rechtzeitig damit beginnen“, sagt Juliane Kellner, Oberärztin am Zentrum für Altersmedizin der Universitätsmedizin Halle.

100 Jahre leben

Aus dem Wunsch nach Langlebigkeit ist längst ein Trend geworden: „Longevity“ (zu dt. Langlebigkeit). Nicht einfach alt werden ist das Ziel, sondern dabei gesund zu bleiben. Der Forschung ist es auch mit KI-Algorithmen und Supercomputern gelungen, wesentliche Grundlagen des Alterns zu entschlüsseln. Ein globaler Forschungswettlauf hat begonnen, es entstehen Zentren für Langlebigkeit, Start-ups forschen. Eine Schlüsselerkenntnis bisher: Altern ist formbar. Unter anderem Ernährung und Bewegung haben einen erheblich größeren Einfluss auf die Lebenszeit als gedacht. Sport wirkt dabei auf die Zellgesundheit, die für Langlebigkeit verantwortlich ist. „Er ist gut für Herz, Gehirn und Gemütszustand“, so Kellner. Studien zeigen, dass Bewegung Alterskrankheiten entgegen wirken und das Leben verlängern kann.

„Zwischen 20 und 30 Jahren hat der Körper seinen Leistungshöhepunkt“, erklärt die Ärztin. „Danach altert er zunehmend und es betrifft alle Systeme, alle Organe. Alles wird träger und langsamer.“ Muskelmasse werde weniger, Fettgewebe mehr. „Kraft und Ganggeschwindigkeit nehmen ab. Man kann das noch lange kompensieren, aber ab 70 Jahren merken es Viele sehr deutlich.“ Aufzuhalten sei dieser Prozess nicht, aber er könne verlangsamt werden. „Menschen, die ihr Leben lang sportlich waren, kommen mit einem besseren muskulären Niveau ins Alter. Sie merken die Abbauprozesse viel später – falls keine akuten Erkrankungen dazu kommen.“

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In der Laufhalle wirft Oppelt einen Medizinball immer wieder an die Wand. „Es ist kaum anstrengend“, sagt er außer Atem und grinst. „Man muss sich aber auch mal durchbeißen.“ Die Gruppe der Senioren-Leichtathleten ist inzwischen komplett. Mit Sprüngen auf einer Koordinationsleiter am Boden und leichten Laufeinheiten hat ihr Training begonnen. Jetzt steht ein Zirkeltraining auf dem Programm. Manche bleiben bei einem Plausch stehen, andere stehen auf einem Bein und werfen einen Tennisball in die Höhe oder trainieren Hochsprung.

Oppelt hält gut mit, bei seinen Laufrunden in der Halle kommt er kaum ins Schwitzen. Das wäre vor ein paar Jahren undenkbar gewesen. Der Hallenser hielt sich lange für fit, war es aber nicht mehr. „In der Schule hatte ich immer eine Eins im Sport. Ich dachte, ich bin einfach grundsätzlich sportlich. Ich hatte einen großen Garten, das musste doch reichen.“ Aber er hatte seit Jahrzehnten keinen Sport mehr betrieben. Irgendwann fragte ein Kollege, ob er mit zum Joggen komme. „Es war so schlimm. Er lief fröhlich vor mir her und ich habe nach Luft geschnappt, konnte auch nicht mehr sprechen.“ Das sei sein Aha-Erlebnis gewesen. „Ich wollte nicht mehr so unfit sein. Ich war auch in einem Alter, in dem es wichtiger wurde, wie man mit seiner Gesundheit umgeht.“

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2013 meldete sich Oppelt beim USV an. „Das erste Training war katastrophal. Erst dachte ich: ,Sind hier alle alt.’ Nach 150 Metern Sprint musste ich fast aufhören, da ist der Älteste locker an allen vorbeigezogen.“ Oppelt kam als Letzter an. Das wollte er ändern, übertrieb es aber gleich. „Ich hatte einen Muskelfaserriss, Knochenhautentzündung und musste erstmal pausieren. In der Apotheke war ich Stammkunde.“ Ein paar Wettkämpfe hat er bestritten, aber das Training ist ihm zu intensiv. „Ich habe meine Grenze gefunden.“ Jedes Jahr absolviert Oppelt aber sein Sportabzeichen, „um zu sehen, wo ich stehe“.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Erwachsenen mindestens 150 bis 300 Minuten moderat-intensive Bewegung pro Woche. Sei es bei der Arbeit, im Haushalt, beim Sport oder in der Freizeit. Laut Studien wird so das Risiko eines frühen Todes um bis zu 21 Prozent gesenkt. Sport stärkt das Herz-Kreislauf-System, senkt den Blutdruck und verbessert die Cholesterinwerte. „Ein Großteil der Menschen über 80 Jahre hat eine Osteoporose-Neigung“, sagt Kellner. „Wenn um brüchigere Knochen eine gut ausgebildete Muskulatur vorhanden ist, ist man vor Stürzen und Verletzungen besser geschützt.“ Wer sich regelmäßig bewege, habe ein besseres Körpergefühl, eine bessere Verdauung, kognitive Fähigkeiten blieben länger erhalten. „Die Art des Sports ist egal.“ Gelenkschonend seien Fahrradfahren, Schwimmen, Nordic Walking. Ziel sollte sein, „Bewegung als festen Bestandteil des Alltags zu integrieren“.

„Man denkt über nichts nach, mein Kopf ist frei.“

Michael Oppelt, Sportler

Klaus Tondera, mit 86 Jahren einer der Ältesten in der Gruppe, ist gerade auf der Bahn durchgesprintet. Er braucht das hier, sagt er. „Ich muss mich auspowern, danach fühle ich mich erholt.“ Seit über 40 Jahren ist er Leichtathlet, gewann bei Senioren-Meisterschaften Medaillen, lief auch 20 Jahre Halbmarathon. „Das hält mich jung,. Ich habe Asthma und auch das Herz ist nicht mehr so gut. Meine Ärzte raten mir: Nie mit dem Sport aufhören!“

Der Einstieg lohnt auch noch mit 50 oder 60 Jahren, sagt Kellner. „Ich würde nicht mit Geräteturnen anfangen. Ein schonender Muskelaufbau ist immer gut.“ Doch obwohl die positiven Effekte bekannt sind: Vielen fällt es schwer, sich aufzuraffen. „Sport sollten Senioren in Gesellschaft betreiben. Inzwischen haben sich auch Fitnessstudios darauf spezialisiert.“ Wer sich nicht gut auf Fremde einlassen kann, solle Mitstreiter aus der Familie suchen. Sport mit anderen wirke auch gegen soziale Isolation und Depression. „Wenn Patienten weniger mobil werden, igeln sich viele zu Hause ein – ein Teufelskreis.“ Künftig werden auch digitale Möglichkeiten wichtiger. Schon heute motivieren Apps zu Bewegung, künftig können auch Roboter in Pflegeheimen als Sport-Animateure fungieren.

Freier Kopf

„Es macht mehr Spaß, wenn man zusammen Sport macht“, sagt Oppelt. „Da kommt gar kein innerer Schweinehund auf.“ Es wird oft gelacht bei diesem Training, über Privates gesprochen, manche der Sportler treffen sich auch in der Freizeit. Für Oppelt war Sport lebensverändernd. „Ich fühle mich wesentlich fitter. Mir fährt keine Straßenbahn mehr weg, ich schaffe Treppen ohne Schnappatmung.“ Magen-Darm-Probleme kenne er nicht. „Ich bin ausgeglichener und komme mit Stress besser klar.“ Zusätzlich zu den Terminen im Verein läuft er montags fünf Kilometer draußen. „Man denkt über nichts nach, mein Kopf ist frei.“ Eine Folge der Bewegung war auch, dass er besser auf seine Ernährung achtet. „Ich kann mir ein Leben ohne Sport nicht mehr vorstellen.“

Manchmal überkommt auch Oppelt so etwas wie Wehmut. „Ich war früher beim Sport immer vorn mit dabei. Das geht jetzt nicht mehr. Und dann sieht man die Jungen, wie schnell die sind.“ Aber, auch das kann er inzwischen genießen: „Man muss loslassen können. Es ist doch auch schön, den jüngeren Läufern zuzusehen“, sagt Oppelt und rennt gleich wieder los.

iMitteldeutsche Zeitung und Volksstimme veranstalten im Zuge der Serie „Gesundes Sachsen-Anhalt“ die Gesundheitstage

AKTIV.LEBEN.2025 - die Gesundheitstage

Dabei dreht sich alles um Gesundheit, Prävention und Pflege. Der Auftakt erfolgt am 8. März 2025 zwischen 10 und 16 Uhr in der Händel-Halle in Halle. In der Hyparschale in Magdeburg steigt das Event am 22. März 2025, ebenfalls zwischen 10 und 16 Uhr. AKTIV.LEBEN richtet sich an ein breites Publikum: Eingeladen sind Best Ager (50+), Senioren, Angehörige sowie Fachkräfte aus Pflege, Medizin und Prävention. Die Gäste können sich bei Vorträgen und interaktiven Workshops zu Themen wie Prävention, Ernährung oder Bewegung informieren.

Alle weiteren Infos gibt es unter www.aktivleben-messe.de

Aussteller haben die Möglichkeit, ihre Produkte und Dienstleistungen einem gesundheitsbewussten Publikum vorzustellen und wertvolle Kontakte zu potenziellen Kunden, Partnern und Fachleuten aus der Gesundheitsbranche zu knüpfen.