1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Suche nach drei Ex-Terroristen: RAF: Fahnder holen Häftling aus Volkstedt ab

Suche nach drei Ex-Terroristen RAF: Fahnder holen Häftling aus Volkstedt ab

Von Hagen Eichler 15.12.2017, 07:21
Mit Fahndungsplakaten sucht die Polizei nach den drei früheren RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette.
Mit Fahndungsplakaten sucht die Polizei nach den drei früheren RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette. dpa

Halle (Saale) - Der erste Mann hat die Schiebermütze tief hinuntergezogen, vor sein Gesicht drückt er ein weißes Taschentuch.

Direkt hinter ihm folgt ein Komplize mit roter Rewe-Tüte in der Hand, auch er versteckt sich hinter einem Taschentuch. Die beiden wissen, dass sie gefilmt werden. Wenig später zeigt das Überwachungsvideo eine gezückte Waffe und eine Flucht.

Überfall auf Rewe-Markt in Hildesheim: Spur zur RAF?

Der Überfall auf einen Rewe-Markt in Hildesheim (Niedersachsen) im Mai 2016 schlug fehl, die Maskierten kamen nicht an den Tresorschlüssel. Dennoch hat er altgediente Fahnder elektrisiert. Sie glauben: Hier haben frühere RAF-Terroristen zugeschlagen.

Mit den Videoaufnahmen und Fotos von ähnlichen Raubüberfällen fahndet das Landeskriminalamt Niedersachsen nach Ernst-Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette.

RAF-Fahnder holen Häftling aus Volkstedt ab

Die drei sollen der dritten Generation der RAF angehört haben. Eine Spur führt jetzt offenbar auch nach Sachsen-Anhalt. Am 12. Oktober klopften niedersächsische Beamte im Gefängnis Volkstedt (Mansfeld-Südharz) an. Ziel des Besuchs: Andreas K., der dort eine Haftstrafe absaß.

In einem Blog hat der 46-Jährige niedergeschrieben, was er dann erlebte. Er habe versucht, seine Anwältin und seine Verlobte zu erreichen, doch das Gefängnis hatte sein Telefonkonto gesperrt. In einem schwarzen Mercedes-Bus mit getönten Scheiben habe man ihn dann gefesselt davongefahren, zunächst nach Magdeburg, dann nach Brandenburg.

„Sie fuhren an einem Anwesen langsam vorbei und sofort wurde auf mich eingeredet, ob ich darüber etwas sagen kann, wer da wohnt und und und“, schreibt K.

Vorwurf: Kontakt zu ehemaligen RAF-Terroristen

Dann habe ihm einer der Beamten vorgeworfen, vor Monaten Kontakt zu zwei früheren RAF-Terroristen gehabt zu haben. In seinem Blog lässt K. offen, ob das der Wahrheit entspricht und ob die beiden früheren Terroristen zu dem gesuchten Trio gehören. Mit den LKA-Beamten geredet hat er nach eigener Auskunft nicht. „Ich erklärte, dass ich nur mit einer Anwältin rede.“

Die Ausfahrt hat mittlerweile zu Reaktionen im Landtag geführt. Die Linken-Abgeordnete Eva von Angern hat von der Landesregierung Auskunft verlangt - die zeigte sich aber zugeknöpft.

Was weiß Häftling aus Volkstedt über drei Ex-Terroristen?

Immerhin so viel bestätigte das Justizministerium: Abgeholt wurde K. vom Landeskriminalamt Niedersachsen, mit Verstärkung aus Brandenburg. Angeordnet wurde die Aktion von der Staatsanwaltschaft Verden.

Das würde zu K.s Darstellung von der RAF-Spur passen. Denn für die Fahndung nach Staub, Garweg und Klette zuständig ist: die Staatsanwaltschaft Verden. Hatten die drei Ex-Terroristen also tatsächlich einen Unterschlupf in Brandenburg? Und weiß Andreas K. mehr darüber?

Häftling soll Tankstellenbetreiber in Neapel erstochen haben

Nach MZ-Informationen wurde der aus Bayern stammende Mann am 31. Juli in Sachsen-Anhalt festgenommen. Offizieller Vorwurf: Fahren ohne Führerschein. Allerdings wartet auf ihn auch ein Prozess wegen eines weitaus schwereren Delikts. K. soll 2016 bei Neapel einen Tankstellenbetreiber erstochen haben.

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen Körperverletzung mit Todesfolge, allerdings fordert auch Italien die Auslieferung.

Setzte LKA Niedersachsen Häftling unter Druck?

K. will keinesfalls in ein italienisches Gefängnis, er fürchtet dort Misshandlungen. Das niedersächsische LKA soll diese Angst als Druckmittel genutzt haben.

Im schwarzen Mercedes-Bus habe man ihm bedeutet: Wenn er den Beamten helfe, müsse es nicht zur Auslieferung kommen - so schilderte es K. in seinem Blog. Sogar mit 80.000 Euro in bar habe man ihn geködert und mit der Aussicht, ihm illegal ein Handy in die Zelle zu schmuggeln.

Die Linken-Abgeordnete von Angern zeigt sich alarmiert. „Dem Hinweis, dass dieser Mann rechtswidrig behandelt wurde, werde ich nachgehen“, sagt sie. „Er hat die gleichen Rechte wie jeder andere Gefangene auch.“

Verlegung von Volkstedt nach Burg

Mittlerweile wurde K. von Volkstedt nach Burg verlegt. „Aus Fürsorgegründen“, erklärt Detlef Thiel, Sprecher des Justizministeriums. Der Gefangene sei dort für seine in Berlin lebende Verlobte besser erreichbar.

K.s Auslieferung nach Italien war schon vor der Ausfahrt beschlossene Sache: Der Beschluss des Kammergerichts Berlin datiert auf den 19. September. (mz)