Energiekriese Preis-Explosion beim Strom: Stadtwerke in Sachsen-Anhalt erhöhen um bis zu 38,5 Prozent
Wie beim Erdgas haben sich die Großhandelspreise beim Strom zuletzt verzehnfacht. Was das für Haushalte in Sachsen-Anhalt bedeutet.

Halle/MZ - Nachdem die Stadtwerke und Regionalversorger in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Wochen die Gaspreise drastisch angehoben haben oder das noch planen, steht nun Ähnliches beim Strom bevor. „Angesichts der hohen Großhandelspreise rechnen wir mit zahlreichen Strompreiserhöhungen in den kommenden Monaten“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte beim Vergleichsportal Verivox.
Der durchschnittliche Strompreis könne im kommenden Jahr bei 45 Cent pro Kilowattstunde und mehr liegen. Einige Anbieter verlangen bereits jetzt mehr als 50 Cent. Zum Vergleich: Im April 2022 lag der Strompreis in Deutschland für Haushalte im Schnitt bei 37 Cent.
Strompreise steigen - Betreiber von Windrädern und Kohlekraftwerken verdienen viel Geld
Laut dem Portal werden die Stadtwerke Halberstadt (Landkreis Harz) im September die Preise in der Grundversorgung um 38,5 Prozent anheben, in Stendal stiegen die Tarife bereits im August um 28,5 Prozent und in Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) um 25,9 Prozent. Der hallesche Versorger EVH kündigte bereits am Montag eine Anhebung um 22 Prozent an.
„Wir bedauern den Schritt der Preisanpassungen außerordentlich und hoffen, dass die Bundesregierung weitere Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen auf den Weg bringt“, sagte Geschäftsführer Olaf Schneider. Er verweis auf die steigenden Einkaufskosten.
Die Gaskraftwerke bestimmen den Marktpreis.
Manuel Frondel, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
An der Leipziger Energiebörse hat sich der Großhandelspreis von etwa 30 Euro im Jahr 2020 auf zuletzt etwa 300 Euro je Megawattstunde erhöht. Doch warum wird Strom so viel teurer? Anders als beim Gas besteht keine Abhängigkeit von Russland. Deutschland ist sogar ein Stromexporteur in Europa. „Doch auch auf dem Strommarkt schlagen die hohen Erdgaspreise durch“, sagt Energieexperte Manuel Frondel vom RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Der Marktpreis werde von dem Kraftwerk bestimmt, das als Letztes für die sichere Versorgung notwendig ist.
„Zwar sind aktuell deutlich weniger Gaskraftwerke im Einsatz, sie bestimmen aber den Marktpreis“, erläutert Frondel. Nach Angaben des Wirtschaftsforschers Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut Dresden würden die Betreiber von Wind- und Solaranlagen sowie Kohlekraftwerken deswegen aktuell hohe Gewinne erzielen. Zum Vergleich: Eine große Windkraftanlage erzeugt die Kilowattstunde Strom für etwa acht Cent, ein großes Kohlekraftwerk für fünf bis sechs Cent.
Strompreise steigen: Viele Unternehmen rutschen in die Verlustzone
Frondel hält aber nichts davon, diesen Marktmechanismus infrage zu stellen: „Die Erdgaspreise werden nicht ewig so hoch sein. Das ist nun die Chance für den großen Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Ifo-Wissenschaftler Ragnitz sieht das anders: „Mich wundert schon, dass die Politik nicht überlegt, die Preisfindung zu überprüfen.“ Es wäre technisch machbar, ein anderes Preissystem einzuführen.
Die hohen Energiepreise werden nach Einschätzung von Ragnitz drastische Konsequenzen haben: „Viele Bürger werden auf staatliche Unterstützung angewiesen sein.“ In der Wirtschaft befürchtet er einen Nachfrageeinbruch: „Die Unternehmen überwälzen die hohen Kosten auf die Produktpreise, die teureren Waren sind dann aber wahrscheinlich weniger gefragt.“ Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau wirkt sich die Gas- und Strompreiskrise dramatisch auf die Unternehmen aus.
„Viele Betriebe im Gastgewerbe und im Handel sowie Dienstleister wollen die Preise weiter erhöhen“, sagt der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Reinhard Schröter. Alarmierend sei, dass die Gewinnerwartungen der Firmen, die sich nach der abgeflauten Pandemie gerade erholt hätten, flächendeckend ins Minus gerutscht seien.