„Dynamit auf Rädern“ in Sachsen-Anhalt Monstertruck-Spektakel mit PS-Show und waghalsigen Stunts in Peißen, Köthen, Dessau und Wittenberg
Qualmende Reifen, PS-starke Boliden und zerquetschte Autos: Familie Korth tourt von Mitteldeutschland aus mit ihrer Stunt-Show durch die Republik. Ihre Kunst gefällt nicht jedem. Und steigende Kosten erschweren das Geschäft.

Bevor er zu sehen ist, ist er bereits zu hören. Der 1.200-PS-Motor verbreitet ein ohrenbetäubendes Dröhnen in der ausverkauften Arena, die auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums in Peißen (Saalekreis) aufgebaut ist. Dann folgt der Auftritt des Monstertrucks. Der Lkw-hohe Bolide röhrt herein. Angetrieben mit sauerstoffangereichertem Q16-Rennbenzin dreht das rot-schwarz lackierte Kraftpaket mehrere Runden, um dann zu einem Sprung auf Schrottautos anzusetzen. Fünf Meter schraubt sich das Sechs-Tonnen-Gefährt in die Höhe. Dann verbiegt sich Metall, Glas scheppert. Die Menge staunt erst, dann jubelt sie.
Der Monstertruck-Auftritt ist einer der Höhepunkte von „Dynamit auf Rädern“. Die Show fand am vergangenen Sonntag zum zweiten Mal auf dem Einkaufszentrumsgelände statt. Was sie bietet: qualmende Reifen, berstende Karosserien und tollkühne Manöver.
Stunt-Familie Korth bereits in dritter Generation
Hinter dem Spektakel steckt eine Familie, die im thüringischen Wartburgkreis ihre Heimat hat und als Schaustellerbetrieb von März bis November durch die Lande tourt. „Wir sind als Stuntleute bereits in der dritten Generation unterwegs“, sagt Sabrina Korth, die mit ihrem Bruder Patrick Korth das Familienunternehmen führt.

Das Leben für Monstertrucks und PS-Kunst sei in den vergangenen Jahren jedoch schwieriger geworden. Die Kosten etwa für Benzin und Material steigen ebenso wie die behördlichen Auflagen. 90 Prozent der Städte würden ihre Festplätze nicht mehr für Stuntshows zur Verfügung stellen. Hinzu komme auch Kritik bezüglich der Umweltauswirkungen der hochtourigen Maschinen. „Ob noch eine vierte Generation das Geschäft übernehmen wird, ist für uns ungewiss“, sagt Sabrina Korth.
Am Anfang der Familientradition habe ihr Großvater gestanden, erzählt die 40-Jährige. „Er hat das Konzept aus Kanada mitgebracht, wohin er ausgewandert war.“ Bei seiner Rückkehr baute er Anfang der 70er-Jahre in Westdeutschland eine eigene Stuntshow auf. Halsbrecherische Kunststücke mit Autos hätten dabei noch im Vordergrund gestanden. Als ihre Eltern übernahmen, sei etwa die berühmte Todeskugel, in der mehrere Motorräder gleichzeitig fahren, dazugekommen. „Da hatte bisher jede Generation ihre eigenen Schwerpunkte“, sagt Korth. „Bei uns sind das, könnte man sagen, die Monstertrucks.“
Acht Monstertrucks im familieneigenen Fuhrpark
Die riesenrädrigen Schwergewichte, von denen acht Stück zum familieneigenen Fuhrpark gehören, sind das Markenzeichen der Show. Jeder einzelne wurde von den Korths zusammengebaut – nach amerikanischem Vorbild, dort haben die straßenbreiten Ungetüme ihren Ursprung. Bei „Dynamit auf Rädern“ walzen jedoch nicht nur die Monstertrucks durch die Arena. Es werden ebenso rasante Wendemanöver, akrobatische Motorradsprünge und zentimetergenau eingeübte Ensemble-Fahrten gezeigt. Stuntfahrer vollführen Überschläge, bei denen es scheppert und kracht. Und im Finale wird ein bemannter Wagen aus 35 Metern Höhe von einem Kran in eine aus Autos gebaute Pyramide fallen gelassen.

Es sind Kunststücke, deren Waghalsigkeit sich noch verstärkt, wenn man weiß, dass die Stuntpiloten während der Show nicht krankenversichert sind. Denn eine solche Versicherung wäre horrend teuer. „Prellungen, blaue Flecke und auch Knochenbrüche gehören bei uns dazu“, sagt Sabrina Korth. Passieren sie während der Show, müsse die Behandlung aus eigener Tasche gezahlt werden.
Ästhetik des Brachialen
Sicher, diese Ästhetik des Brachialen ist nichts für Feingeister. Genau sie macht aber den Reiz der Vorstellung aus. Dennoch sieht auch Sabrina Korth die Notwendigkeit für Veränderungen. „Crashs und PS gehören zum Kern unserer Show“, sagt die Stuntfrau. „Sie sollen aber nicht mehr nur im Vordergrund stehen.“ Im Programm, das jedes Jahr neu zusammengestellt werde, sollen mehr artistische Elemente präsentiert werden.
Sabrina Korth selbst klettert etwa während der Show aus einem Lkw, den ihr Bruder lenkt und der nur auf zwei Rädern fährt. „Es gibt eben auch Menschen, die es stört, wenn wir zwei Stunden am Stück nur Autos zerstören – diese Kritik nehmen wir ernst.“

Mit dem Familienunternehmen sind dauerhaft um die 20 Personen unterwegs, von denen acht Stuntfahrer während der Show aktiv in den Autos mitwirken. 350 Tonnen Material bewegen die Korths durch die Lande. Hinzu kommen noch die Wohnwagen, die für die Schausteller das Saison-Zuhause sind. „Unsere Kinder wachsen in dieses Leben hinein, wie wir das auch taten“, sagt Patrick Korth. Als Elfjähriger habe er das erste Mal am Steuer eines Autos gesessen, mit 15 Jahren konnte er auf zwei Rädern fahren – ein Kunststück, das er heute perfektioniert hat und wofür er bereits international ausgezeichnet wurde.
Jeder ist Autoverrückt in der Familie
Diese Fähigkeiten werden an die nächste Generation weitergegeben. Autoverrückt sei jeder in der Familie, sagt Sabrina Korth. „Aber wir wollen unseren Kindern ebenso andere Wege offenhalten – auch, falls es mit unserer Schaustellerei nicht mehr weitergeht.“ Deswegen werde auch die schulische Ausbildung geachtet: Jede Woche kommt ein Schulwohnmobil, um die Kinder zu unterrichten. Dahinter steckt ein Projekt aus Hessen, das auf Kinder reisender Eltern ausgerichtet ist. „Bisher klappt das sehr gut“, sagt Korth.

Dieses Leben immer auf Achse gefällt der Stuntfahrer-Familie. Für jedermann allerdings, das sagen die Geschwister auch, ist es nicht gemacht. Das zeigt sich allein schon an der Partnerwahl. Sabrina Korths Mann kommt aus einer Marionettentheater-Familie, die Frau von Patrick Korth stammt aus dem Zirkus. „Sesshaft zu werden, können wir uns alle nicht vorstellen.“