Energiewende Mehr Strom aus Wind? In Sachsen-Anhalt könnte das Gegenteil passieren
Erneuerbare Energien sollen eigentlich ausgebaut werden. Das wird aber auch durch Planungen erschwert, die teils mehr als zehn Jahre dauern.

Magdeburg/MZ - Trotz ehrgeiziger Ausbauziele der Politik droht in Sachsen-Anhalt sogar ein Rückgang bei der Stromausbeute aus Windkraft. Bereits im vergangenen Jahr konnte die Branche im Land wegen fehlender Flächen kaum noch wachsen. Der Landesverband Erneuerbare Energie warnt nun, ohne ein deutliches Umsteuern werde die erzeugte Strommenge künftig schrumpfen. Hintergrund der Warnung ist, dass derzeit mehr alte Anlagen abgebaut werden als neue errichtet werden dürfen.
2021 wurden 18 Windräder aufgestellt, aber 30 abgerissen. Da die neuen Anlagen mehr Strom erzeugen können, gibt es bei der installierten Leistung noch einen Zuwachs von 38 Megawatt. Im Vergleich der vergangenen 20 Jahre ist das ein sehr niedriger Wert. Im erfolgreichsten Jahr der Branche, 2002, betrug der Leistungszuwachs 483 Megawatt.
Felix Langer vom Landesverband Erneuerbare Energie fürchtet, dass die Leistungsbilanz in den kommenden fünf Jahren ins Negative kippt. „Bei gleichbleibenden Voraussetzungen wird das passieren. Es fehlt überall an Flächen“, sagte Langer der MZ.
Tatsächlich werden aktuell 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraft genutzt. Viele Windräder stehen aber in Gebieten, die nach den heute gültigen Plänen gar nicht für Windenergie ausgewiesen sind. Müssen alte Anlagen abgebaut werden, darf dort kein Ersatzbau errichtet werden. Für Windkraft ausgewiesen ist lediglich ein Prozent der Fläche.
Die Bundesregierung will den Anteil auf zwei Prozent erhöhen, auch Landesumweltminister Armin Willingmann (SPD) hat sich zu diesem Ziel bekannt. Umsetzen müssen das in Sachsen-Anhalt fünf eigenständige Planungsregionen. Bis ein fertiger Plan vorliegt, dauert es aber Jahre. Extrem ist die Verzögerung in der Region Magdeburg, die auch den Salzlandkreis, die Börde und das Jerichower Land umfasst. Das dortige Planungsverfahren, das Windenergieflächen ausweisen soll, läuft bereits seit 2010 - und ist auch nach zwölf Jahren bis heute nicht abgeschlossen.
Die Folge: Das Austauschen alter gegen neue Anlagen, das sogenannte Repowering, ist in der Regel unmöglich. „Da wir keinen rechtswirksamen regionalen Entwicklungsplan haben, ist Repowering bei uns ausgeschlossen, mit Ausnahme von wenigen Sonderfällen“, bestätigt der leitende Planer Marcus Bohnstedt. Die Planungsregion Magdeburg ist die flächenmäßig größte im Land.
Bohnstedt führt die Verzögerungen auch auf fehlendes Personal zurück. Zum aktuellen Entwurf des Plans sind nach öffentlicher Auslegung 1.600 Einzelstellungnahmen eingegangen, die nun geprüft werden. „Manche davon bestehen aus wenigen Sätzen, aber es sind auch 60-seitige Schreiben von Anwaltskanzleien darunter“, sagt Bohnstedt. Insgesamt arbeiten daran lediglich sechs Personen. „Mit mehr Personal ginge es natürlich schneller.“
Gleichzeitig wünschen sich die regionalen Planer klare Aussagen aus der Politik. Die Region Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg, in der aktuell knapp ein Prozent der Fläche für Windenergie vorgesehen ist, hält eine Steigerung auf zwei Prozent für möglich. „Aber wir wollen gern wissen, ob der bisherige Abstand zur Wohnbebauung und zu Denkmalen so bleiben soll, ob auch weiterhin der Wald tabu bleibt“, sagte Chef-Planerin Marion Schilling.
Sachsen-Anhalts Raumordnungsministerin Lydia Hüskens (FDP) hält sich zur Frage nach einem Strategiewechsel bedeckt. Ein Ministeriumssprecher sagte, eventuelle neue Vorgaben würden „im Rahmen der Debatte zur Umsetzung der bundesweiten energiepolitischen Ziele zu diskutieren sein“.