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Lehrermangel Lehrermangel in Sachsen-Anhalt - Abbau von Lehrerstellen ist gestoppt

13.06.2017, 09:30
Eine Lehrerin läuft während einer Klausur kontrollierend durch die Reihen.
Eine Lehrerin läuft während einer Klausur kontrollierend durch die Reihen. imago stock&people

Magdeburg - Marco Tullner kann sich schon einmal auf skeptische Blicke gefasst machen. An diesem Dienstag will der christdemokratische Bildungsminister im Koalitionsausschuss vortragen, wie er das drängende Problem fehlender Lehrer angehen will.

SPD und Grüne sind seit langem alarmiert. Es gebe „keine Transparenz“, monierte Grünen-Landeschef Christian Franke zuletzt. Die SPD-Bildungspolitikerin Angela Kolb-Janssen rügte, die Zahlen aus dem Bildungs- und dem Finanzministerium widersprächen sich. Dienstag will Tullner alle Fragen beantworten - und die der MZ bereits vorliegenden Zahlen sind überraschend.

Bildungsminister Tullner verspricht Besserung für alle Schulformen

Die rechnerische Unterrichtsversorgung soll zu Beginn des kommenden Schuljahres einen regelrechten Sprung nach oben machen: Tullner verspricht einen Wert von 101,9 Prozent. Zum Vergleich: Zu Beginn des laufenden Schuljahres waren es 99,5 Prozent. Selbstgestecktes Ziel der Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode sind 103 Prozent. Dieser Wert gilt als Minimum, um erkrankte Lehrer vertreten zu können.

Je nach Schulform sieht die Lage besser oder schlechter aus. Die Grundschulen sollen auf 103,1 Prozent kommen, Gymnasien und Gesamtschulen auf 102,9 Prozent, Sekundar- und Gemeinschaftsschulen auf 101,9 Prozent. Förderschulen und Berufsbildende Schulen landen bei 99,8 und 99,0 Prozent.

Ausfall an Grundschule „Geschwister Scholl“ in Wittenberg

Die Unterrichtsversorgung werde damit im kommenden Schuljahr „stabiler“, sagte Marco Tullner der MZ. „Damit werden aber nicht alle Probleme gelöst sein.“ Gemeint ist: Aus einzelnen Schulen können auch künftig Hiobsbotschaften dringen. Zuletzt hatte die Grundschule „Geschwister Scholl“ in Wittenberg für Schlagzeilen gesorgt. Wegen fehlenden Personals bat die Schulleiterin alle Eltern, ihre Kinder am Freitag und am Montag zu Hause zu lassen.

Im Landesschnitt aber soll sich die Lage laut Tullner verbessern. Das liegt auch daran, weil der jahrelange Schwund beim Lehrpersonal gestoppt ist. Nach Angaben des Bildungsministeriums gibt es in diesem Jahr unter dem Strich erstmals wieder mehr Lehrer.

Umgerechnet in Vollzeitstellen steigt die Zahl von 14.023 zum Jahresbeginn auf voraussichtlich 14.237 - das sind 214 Stellen mehr. Bereits eingerechnet ist die Einstellung von Referendaren im September.

Mehrarbeit Referendare in Sachsen-Anhalt geplant

Entlastung schafft auch die geplante Mehrarbeit der Referendare. Durch eine derzeit vorbereitete neue Verordnung sollen die Berufseinsteiger bereits vom zweiten Monat an sechs bis acht Stunden eigenverantwortlich unterrichten. Bislang haben Referendare in den ersten vier Monaten ausschließlich zusammen mit fertig ausgebildeten Lehrern unterrichtet. Die Uni-Abgänger seien ausreichend qualifiziert und wollten sich auch selbst beweisen, heißt es aus dem Bildungsministerium.

Weniger Lehrer-Stunden in Sachsen-Anhalt

Tullners dritte Zutat zur höheren Unterrichtsversorgung ist am umstrittensten. Unter dem Begriff „effizienzsteigernde Maßnahmen“ bekommen Grund- und Sekundarschulen vom neuen Schuljahr an für jeden Schüler etwas weniger Lehrer-Stunden zugewiesen. In vielen Grundschulen fällt damit rechnerisch der Bedarf für eine Lehrerin weg, ohne dass sich die Zahl der Schüler verändert. „Schönrechnerei“, kritisiert der Grundschulverband.

Das Bildungsministerium will damit die Schulleiter nötigen, größere Klassen zu bilden und Lehrer effizienter einzusetzen. Seit Jahren gilt für Grundschulen als Richtwert eine Klassengröße von 22 Schülern. Tatsächlich sind es im Schnitt 19 Kinder.

Lehrerausbildung Sachsen-Anhalt: Ausbau der Online-Bewerbung

Weiter feilen will das Bildungsministerium an seinem neuen System der Online-Bewerbung. Durch den Verzicht auf Papier könne man den Bewerbern bereits jetzt deutlich schneller Anstellungsverträge zusenden, heißt es.

Besonders aufmerksam dürfte die Koalitionsrunde die Entwicklung der Schülerzahlen betrachten. Laut Prognose steigt die Zahl der Schulkinder im kommenden Schuljahr auf 179.000. Selbst wenn davon rund 2 000 Doppelanmeldungen abzuziehen sein dürften, wäre das ein Wachstum von 2.500 Schülern.

Sollte sich die stabile Entwicklung bis 2030 fortsetzen und der seit Jahren vorhergesagte Einbruch der Schülerzahlen ausbleiben, müsste das Land die Ausbildungskapazität für Lehramtsstudenten nach oben korrigieren. Aussagen dazu will das Bildungsministerium demnächst vorlegen.

Ob Tullner am Dienstag alle Fragen der Koalitionspartner ausräumen kann, ist offen. Der Minister erinnert bereits vorab an die „Möglichkeiten des Haushalts“ und die gemeinsame Verantwortung. „Wir sitzen hier alle im gleichen Boot und werden auch in künftig in die gleiche Richtung rudern.“ Dass dabei mal jemand aus dem Takt gerate, sei indes völlig normal. (mz)