Lehrermangel Lehrermangel: Wittenberger Schule stoppt zwei Tage den Unterricht

Wittenberg - Für eine Schule ist die Stille ungewöhnlich, kein Kinderlärmen, kaum Eltern, die ihren Nachwuchs abholen. Am Freitag ist in der Grundschule Geschwister Scholl in der Wittenberger Karlstraße wenig los. Unter anderem bei Facebook findet sich der Grund: ein Schreiben an die Eltern mit der Bitte, ihre Kinder möglichst zu Hause zu lassen.
Der Schulbetrieb ist aus den Fugen geraten. Aufgrund eines erhöhten Krankenstandes bei Lehrern und pädagogischen Mitarbeitern kann die Einrichtung den Unterricht für die über 220 Kinder nicht mehr abdecken. Per Brief wurden die Eltern deshalb am Donnerstag gebeten, ihre Kinder am Freitag und an diesem Montag möglichst nicht zur Schule zu bringen und selbst zu betreuen.
„Wir können derzeit nur eine Betreuung aber keinen Unterricht mehr anbieten“, erklärt Christine Schulze, stellvertretende Schulleiterin. „Zu einem hohen Krankenstand kamen am Donnerstag noch mal zwei Ausfälle dazu, als eine Lehrerin einen Unfall hatte und eine zweite nach einem Zusammenbruch mit dem Krankenwagen aus der Schule abgeholt wurde“, spricht die Pädagogin von einer Notlage.
So etwas habe es bisher noch nicht gegeben. „Bislang konnten wir den Lehrermangel durch Klassenzusammenlegungen oder durch Unterstützung von außen immer noch kompensieren“, so Christine Schulze.
Von den zwölf dauerhaft an der Grundschule beschäftigen Lehrern waren mit Stand vom Donnerstag vier krank, und von den vier pädagogischen Mitarbeitern fehlten drei. „Deshalb haben wir uns in Absprache mit dem Landesschulamt für den Elternbrief entschieden“, lobt die Lehrerin die gute Zusammenarbeit mit der Elternschaft, die auch in diesem Fall entgegenkommend reagiert habe.
„Heute sind insgesamt nur 21 Kinder in die Schule gekommen, wir haben mit deutlich mehr gerechnet. Aber am Montag, das haben viele Eltern bereits signalisiert, werden sehr viel weniger Kinder zu Hause bleiben können“, weiß Christine Schulze und hofft, dass die versprochenen Bemühungen des Landesschulamtes greifen und ab Dienstag der Schul- und Unterrichtsbetrieb wieder halbwegs normal läuft.
„Das ist eine wirklich schwierige Situation“, bestätigt Silke Stadör, Pressesprecherin des Landesschulamtes das Dilemma. „Die Bildungseinrichtung wird ab Montag für 15 Stunden wöchentlich Unterstützung von der Grundschule Nudersdorf bekommen“, so die Sprecherin.
„Sollte sich am Montag abzeichnen, dass die Situation prekär bleibt, werden wir uns um eine schulformübergreifende Unterstützung bemühen. Aus den Grundschulen der Region selbst können keine weiteren Pädagogen abgezogen werden, weil die meisten selbst mit einem hohen und oft auch dauerhaften Krankenstand zu kämpfen haben“, so die Frau aus dem Landesschulamt.
Dass die Situation ein Unding sei, bemerkt am Freitag vor der Schule eine Erzieherin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Lehrermangel sei ein gravierendes Problem - und längst nicht nur an der Grundschule Geschwister Scholl.
Eine Lehrerin, die nach Hause möchte, winkt ab: „Wir dürfen nichts sagen, leider. Aber das Herz ist uns voll.“ Ein junges Mädchen, das gerade zum Abschlussfest in den Hort geht, gibt zu, dass sie nicht ganz so böse ist über den Ausfall des Unterrichts, sagt aber auch, dass ihre Eltern das ganz anders sehen. Die sind besorgt, weil womöglich der Stoff, der vermittelt werden müsste, auf der Strecke bleibt.
Der Vorsitzende der Elternvertretung in Stadt und Kreis, Tobias Ulbrich, ist empört: „Hier badet die Basis aus, was an Problemen in der Politik nicht gelöst wird.“ Wenn die Behörden es nicht einmal schafften, den tatsächlichen Bedarf an Lehrern im Land zu ermitteln, müsse man sich fragen, ob man dort wisse, wie die Situation an den Schulen aussieht. (mz)