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Kritik an "Feierwehr" Kritik an "Feierwehr": Kampagne bedient "Klischees die wir nicht wollen"

Von Jan Schumann und Katrin Löwe 03.04.2018, 08:00
Gefällt nicht jedem: Beispiel aus dem Werbematerial für die Feuerwehr-Kampagne.
Gefällt nicht jedem: Beispiel aus dem Werbematerial für die Feuerwehr-Kampagne. Innenministerium

Magdeburg - Etwas missmutig schaut der junge, blonde Mann im gelben T-Shirt drein. Neben seinem nachdenklichen Gesicht erscheinen die Worte: „Hab ich einen Brand“. Schnitt! Es ertönt die Feuerwehr-Sirene: „Dann komm löschen“, heißt die Botschaft in diesem Werbefilm.

Das ist keine Getränkereklame, sondern die Nachwuchskampagne der Feuerwehr in Sachsen-Anhalt. Das Innenministerium will mehr junge Leute für die Brandbekämpfung begeistern, weil Personallücken absehbar sind.

Vor allem bei den freiwilligen Feuerwehren, die den Großteil der Brandbekämpfer ausmachen. Doch die Kampagne des Landes - im Comic-Stil gehalten und auf Wortspielen basierend - gefällt vielen gestandenen Feuerwehrleuten überhaupt nicht.

Kampagne der Feuerwehr Sachsen-Anhalt „Sauerei“ und „grenzwertig“?

Sauer stößt ihnen auf, dass die Kampagne stattdessen Vorurteile bediene. Konkret geht es um Werbematerial, das das Innenministerium an mehr als 1500 Ortswehren verschickte - in der Box stecken neben einem Organisationshandbuch für Veranstaltungen auch Postkarten mit dem Wortwitz-Titel „Feierwehr“ und Bierdeckel mit dem Slogan „Hab ich einen Brand“.

Doch vielen Aktiven an der Basis kommt das Material zu feucht-fröhlich daher, klingt es zu sehr nach Gelage. „Seit Jahren arbeiten wir genau gegen dieses Vorurteil“, kritisiert Steffen Müller, Ortswehrleiter in St. Micheln (Saalekreis). „Sauerei“ und „grenzwertig“, sagen andere.

Landesjugendwart kritisiert eingesetzte Klischees bei Feuerwehr-Kampagne

Kritik kommt auch aus der Nachwuchsarbeit. Landesjugendwart Thomas Voß sagt der MZ: „Hier werden Klischees bedient, die wir nicht wollen. Ich halte das für nicht günstig, eher kontraproduktiv.“

Eine Kampagne müsse eher vermitteln, dass die Feuerwehr ein wichtiger Träger des Gemeinwesens ist - „gerade im ländlichen Raum“. Doch angesichts des Werbematerials  kommentiert er lakonisch: „Wir sind doch keine Brauerei.“

Selbst der Chef des Landesfeuerwehrverbandes, Kai-Uwe Lohse, nennt diesen Teil der Kampagne einen „Griff ins Klo“: Zwar sei es gut, wenn das Land auf den Einsatzkräftemangel hinweise, auch die Organisationsbroschüre für lokale Feuerwehren sei hervorragend. Doch mit Blick auf das Werbematerial sagt er: „Man hat uns nicht nach unserer Meinung gefragt. Wir hätten uns da mehr Einfluss gewünscht.“

Verbandschef Lohse kritisiert zudem einen weiteren Video-Spot samt Wortspiel, in dem gefragt wird: „Dein Date ist nicht spritzig genug? - Spritzig ist unser zweiter Vorname.“ Lohse kritisiert: „Die Feuerwehr-Frauen sind damit nicht sehr zufrieden.“

Einige Kameraden an der Basis weigern sich nun, das Material zu verwenden. „Es ist zwar grundsätzlich gut, wenn das Land aktiv wird, um die Feuerwehren zu stärken“, so Michael Eichstädt, Chef des Feuerwehrverbands Burgenlandkreis. „Aber das Ministerium und die Werbeagentur hätten jemanden fragen sollen, der auch Ahnung hat. Vielleicht ist klassische Flächenwerbung doch effektiver.“

Das Ministerium betont auf Anfrage: „Bisher gab es lediglich vereinzelt Kritik im Zusammenhang mit der Feuerwehrkampagne“ - neben zahlreichem Lob.

Das   Material sei nur ein Baustein der Kampagne: Dazu gehören etwa auch der landesweite Tag der Feuerwehr im Mai, die „Sensibilisierung der Wirtschaft für die Belange der Freiwilligen Feuerwehr“ und Weiterbildungen 38.000 Euro Kosten.

Das Ministerium verweist in puncto Werbematerial zudem auf die „renommierte Magdeburger Werbeagentur“, die  engagiert wurde: „Die grafische Aufmachung besticht – auch im bundesweiten Vergleich – durch ihre Einzigartigkeit.“ Änderungen seien nicht geplant.

Für die gesamte Feuerwehr-Kampagne habe  das Ministerium  38.000 Euro im vergangenen Jahr ausgegeben. 2018 stehen  weitere 150.000 Euro bereit. „Mein Geschmack ist es jedenfalls nicht“, sagt der SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben. „Und ich habe noch keinen Feuerwehrmann in Sachsen-Anhalt getroffen, dem das verteilte Material gefällt.“ (mz)