Kein Anschluss im Knast Kein Anschluss im Knast: In Gefängnissen wird Insassen das Telefon abgeklemmt
Magdeburg - In Sachsen-Anhalts Justizvollzugsanstalten wird das Gefangenen-Telefon abgeklemmt. Grund ist ein laufender Rechtsstreit zwischen dem Land und dem bisherigen Telefonanbieter in den Gefängnissen, bestätigte das Justizministerium der MZ.
Voraussichtlich ab Juli werde deshalb ein „Notbetrieb“ für die rund 1.600 Gefangenen im Bundesland eingerichtet. Einige Insassen werden dann für Telefonate mit Anwälten und Angehörigen voraussichtlich in Dienstzimmer der Gefängnismitarbeiter ausweichen müssen. Rechtspolitiker der Opposition sind empört und fürchten schwere Eingriffe in die Rechte der Gefangenen.
In JVAs wurden Insassen bereits per Aushang informiert. Nun wird klar: Hintergrund des künftigen Notbetriebs ist eine Klage. Schon im April war der bisherige Vertrag für Gefangenen-Telefonie planmäßig ausgelaufen.
Justizexpertin: Land geriet „sehenden Auges“ in die Notlage
Zwar schrieb das Land einen neuen Auftrag rechtzeitig aus, so das Ministerium - doch gegen die Ausschreibung klagt jetzt der bisherige Telefonanbieter. Einige Experten im Ministerium hegen nach MZ-Informationen den Verdacht, der Anbieter wolle so an einen weiteren Auftrag kommen. Problem: Aufgrund der strengen Regeln kann Sachsen-Anhalt jetzt keinen neuen Auftrag vergeben, solange die Klage läuft.
Das Ministerium hofft auf eine schnelle Lösung, doch das ist unklar. Leidtragende sind bis auf weiteres die Gefangenen. Und das voraussichtlich ab Juli. Dann sollen laut Ministeriumssprecher Detlef Thiel endgültig Abschaltung und Notbetrieb greifen.
Einschränkungen für Insassen sind absehbar, dabei sind Telefonate eine der wenigen Kontaktwege zur Außenwelt. Äußerst kritisch sieht Eva von Angern, Justizexpertin und Linken-Abgeordnete im Landtag, die Lage. Das Land sei „sehenden Auges“ in die Notlage geraten, sagte sie der MZ.
Telefonate in der JVA bald nur noch in dringenden Fällen?
Beispielhaft für die Probleme nennt die Anwältin die JVA Burg: Dort konnten Gefangene bisher mit einer eigenen Karte über ein Stationstelefon im Flur telefonieren. „Sicherungsverwahrte haben aufgrund ihrer besonderen Stellung sogar eigene Geräte in den Hafträumen.“
Von Angern befürchtet, dass Telefonate in der JVA bald nur noch in dringenden Fällen an Diensttelefonen der Wachstationen möglich sind: überwacht und zeitlich sehr eingeschränkt. Zwar ist ein Mithören der Gespräche im Gefängnis teils zulässig.
„Anwaltsgespräche müssen aber vertraulich sein“, so von Angern. „Diese Praxis erscheint rechtswidrig, das ist indiskutabel.“ Zudem dürfe bei einer gefängnis-internen Konkurrenz um knappe Telefonzeiten künftig nicht die Hierarchie unter den Gefangenen entscheiden. Geht es nach von Angern, wäre es nicht verwunderlich, wenn Gefangene jetzt klagen würden.
Vollzugsanstalten organisieren Zwischenlösungen selbst
Das Justizministerium beschwichtigt gegenüber der MZ: Auch mit den Übergangslösungen sei es Gefangenen weiter möglich, Telefonate „entsprechend der gesetzlichen Vorgaben zu führen“, so Sprecher Thiel. Sollten Anwaltsgespräche auf Dienstzimmern stattfinden müssen, sei auch in diesen Fällen Vertraulichkeit gegeben.
Bedienstete sollen in diesen Fällen den Raum verlassen. Es gebe aber auch andere Interimsmöglichkeiten, etwa mit einer kurzfristigen Verlegung von Telefonkabeln. Jede Vollzugsanstalt organisiere die Zwischenlösungen selbst. Laut Ministerium ist zudem gewährleistet, dass nicht der kräftigste Insasse die meiste Telefonzeit bekomme. Zugleich weist das Ressort aber darauf hin: Es gebe laut Gesetz kein Recht für Gefangene auf unbegrenzte Telefongespräche.
Schon vor Jahren hatte es im Land Ärger um Gefängnistelefone gegeben: Damals ging es um enorm hohe Gesprächskosten. (mz)