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Berateraffäre Jens Bullerjahn: Private und geschäftliche Interessen verquickt?

17.11.2016, 09:20
Jens Bullerjahn bei seiner Vernehmung des IBG-Untersuchungsausschuss im Juni dieses Jahres. Es ging um die umstrittenen Beraterverträge und die Frage, ob in der Vergangenheit Fördergelder unrechtmäßig an Firmen vergeben worden sind.
Jens Bullerjahn bei seiner Vernehmung des IBG-Untersuchungsausschuss im Juni dieses Jahres. Es ging um die umstrittenen Beraterverträge und die Frage, ob in der Vergangenheit Fördergelder unrechtmäßig an Firmen vergeben worden sind. dpa-Zentralbild

Magdeburg - In der Berater-Affäre um Ex-Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) rückt auch der frühere Finanzminister und Felgner-Mentor Jens Bullerjahn (SPD) immer mehr in den Fokus. Der Vorwurf: Bullerjahn soll es mit der einen oder anderen Verwaltungsvorschrift nicht allzu genau genommen haben, möglicherweise private und geschäftliche Interessen vermischt haben.

Die Opposition im Landtag Sachsen-Anhalt spricht mittlerweile offen vom „System Bullerjahn“. Die Magdeburger Volksstimme und der MDR skizzieren, dass es zumindest auffällig ist, dass bei Prestigeprojekten immer wieder der Baukonzern Papenburg AG den Zuschlag erhielt. Im Fokus steht u.a. die Bauvergabe für das hallesche Finanzamt, aber rückblickend auch der Stadion-Neubeu für den HFC im Jahr 2010. Schon damals hatte die Mitteldeutsche Zeitung ausführlich über den Vorgang berichtet.

Zur Einordnung: Nach Informationen der Volksstimme und des MDR gibt es Hinweise darauf, dass Klaus Papenburg, Chef des Baukonzerns Papenburg, den Wahlkampf Bullerjahns mit Spendengeldern unterstützt haben soll. Das ist für sich betrachtet nichts Verwerfliches und in der Regel ein absolut normaler Vorgang. Meist unterstützen Unternehmen sogar mehrere Parteien in gleichem Maße. Die Gefahr dabei: Es kann auch ein anderer Eindruck entstehen: der der Kungelei.

Kungelei zwischen Jens Bullerjahn und Klaus Papenburg?

Vor allem dann, wenn – sicher nur zufälligerweise – der Sohn des Ex-Finanzministers Bullerjahn als damals 30-Jähriger seine Ausbildung bei Papenburg in Hannover begonnen hat. Angeblich sogar ohne ein klassisches Bewerbungsverfahren – was Bullerjahn allerdings bestreitet.

Vor allem auch dann, wenn – sicher nur zufälligerweise – die Tochter von Frank Heinze, dem Geschäftsführer der Papenburg Hochbau GmbH, die den Bau des halleschen Finanzamtes übernommen hatte, zuletzt sogar Büroleiterin des ehemaligen Wirtschaftsministers Jörg Felgner gewesen ist. Das ein Eindruck nicht umbedingt richtig sein muss, fachliche Gründe in der Regel eine Rolle spielen, steht auf einem anderen Blatt.

„Papenburg stellt jedes Jahr 80 bis 100 Jugendliche ein. Ich habe keinen Einfluss auf die Bewerbung genommen. Was soll denn der Junge eines Ministers machen? Er kann doch nicht wegen seines Vaters quasi ein Berufsverbot bekommen“, sagte Jens Bullerjahn auf Anfrage der Volksstimme. Auch in der Verbindung des Papenburg-Geschäftsführers Heinze in die Chefetage des Finanzministeriums kann Bullerjahn nichts Verwerfliches abgewinnen, zumal sie „keinen Einfluss auf Entscheidungen im Baubereich gehabt“ habe.

Finanzamt in Halle: So lief der Vergabe des Bauvorhabens ab

Aber zurück zu den Bauten in Halle: Bei der europaweiten Ausschreibung des Bauvorhabens für das Finanzamt war Bedingung, dass die Baufirma ein Grundstück in Halle „mitbringen“ sollte. Eine ungewöhnliche Bedingung - wie sich auch nach den Recherchen der Mitteldeutschen Zeitung herausstellte. Am Ende blieb bei der Ausschreibung nur die Papenburg AG. Der Fall ging sogar vor das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, dort entschieden die Richter im August 2012, dass das Vergabeverfahren für das Finanzamt wiederholt werden müsse. Die klagende Firma Goldbeck aus Bielefeld ging jedoch auch in der zweiten Runde leer aus. „Eine andere und kostengünstigere Variante als der teure Bau in Halles Innenstadt ist von der Landesregierung gar nicht mehr in Betracht gezogen worden“, kritisierte bereits im Oktober 2014 Helga Elschner, Vorstandsvorsitzende des Bundes der Steuerzahler.

Pikant: Das Finanzamt wurde nach einer sogenannten Investorenvariante gebaut. Das bedeutet, dass die Baufirma ein Grundstück mitbringt, das Land Sachsen-Anhalt später dieses und das gebaute Gebäude auf Raten erwirbt. Erst im Kalenderjahr 2041 geht der Bau vollständig in den Besitz des Landes über. Der Baukonzern Papenburg AG verdient also über 25 Jahre weiter mit. In einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2011 wurden die Kosten für das Finanzamt auf 52 Millionen Euro geschätzt, die Investorenvariante sei rund 2,5 Millionen Euro günstiger. Die tatsächlichen Kosten für Grundstück und Gebäude beliefen sich auf 33,3 Millionen Euro und auf rund 60 Millionen Euro insgesamt (mit Miete, Unterhalt und Zinsen). Welche Folgen das auf die Raten für die Papenburg AG hat, ist unklar.

Stadion-Neubau des HFC rückt noch einmal in den Fokus

Und auch der Stadion-Neubau des Halleschen FC könnte mit Blick auf das „System Bullerjahn“ noch einmal thematisiert werden. Die Frage: Inwiefern hat der Ex-Finanzminister das Projekt trotz rechtlicher Bedenken durchgepaukt.

Als der Neubau zu scheitern drohte, soll Bullerjahn über seinen Referenten per E-Mail trotzdem die Überweisung von Fördergeldern angewiesen haben. Sechs Millionen Euro flossen in diesem Zusammenhang vom Land. Auch die MZ berichtete bereits 2010 darüber, dass sich Bullerjahn über Bedenken beim Stadion-Neubau hinwegsetzte.

Die Verbindung von Jens Bullerjahn zum HFC

Und es gibt wohl eine weitere Verbindung zwischen Bullerjahn und dem HFC: Die umstrittenen Beraterverträge, die nun auch zum Rücktritt von Jörg Felgner geführt haben, gingen auch an das in Halle ansässige Institut ISW. Es gehört Bullerjahns Freund Michael Schädlich. Der wiederum ist Präsident des Halleschen FC. Und beim ISW soll laut MDR auch zeitweise Bullerjahns Frau angestellt gewesen sein.

Dem Mitteldeutschen Rundfunk sagte der Grüne Landtagsabgeordnete Olaf Meister: „Ich glaube, es war ein grundsätzliches Problem des damaligen Finanzministers (Bullerjahn, Anm. d. Red.), dass er die privaten Dinge und die geschäftlichen Dinge nicht immer sauber getrennt hat.“ (mz)