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Streit im Landtag Ist Sachsen-Anhalts Wirtschaft „am Abnippeln“? Das sagt Minister Sven Schulze

Die Wirtschaftsleistung ist 2024 geschrumpft. Die Landesregierung habe darauf aber nur begrenzt Einfluss, erklärt Minister Schulze. Die AfD fordert ein „Musterland Sachsen-Anhalt“.

Von Hagen Eichler 13.05.2025, 17:58
Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) hofft jetzt auf den versprochenen Kurswechsel in Berlin.
Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) hofft jetzt auf den versprochenen Kurswechsel in Berlin. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Magdeburg/MZ - Um die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt ist es nicht gut bestellt – darüber herrscht Einigkeit am Dienstag im Landtag. Aber wie schlimm ist es? Steht „der Maschinenraum der Wirtschaft in Flammen“, wie FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack sagt? Ist die Wirtschaft gar „am Abnippeln“, wie Ulrich Siegmund von der rechtsextremen Oppositionspartei AfD in den Saal ruft? Oder stehen die Unternehmen doch nur vor einem „Bündel an Herausforderungen“, wie es Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) formuliert?

Um 0,9 Prozent ist die Wirtschaftsleistung des Landes im vergangenen Jahr geschrumpft. Im anstehenden Wahlkampf kann eine Regierung mit solchen Zahlen nicht punkten – schon gar nicht ein Wirtschaftsminister, der sich Hoffnungen macht, als Spitzenkandidat der CDU nächster Ministerpräsident zu werden.

Schulze setzt auf sinkende Energiepreise

Schulze hat sich dennoch zu einer Regierungserklärung entschieden, zu seiner ersten überhaupt. Die Botschaft: Mit der neuen schwarz-roten Bundesregierung würden die bisherigen Wachstumshindernisse nun beseitigt. Eine Senkung der Energiepreise sei aus Berlin angekündigt, Hilfen für die Autobranche und ein Abbau von Bürokratie ebenso, lobt Schulze: „Es ist Zeit, erkannte Hindernisse aus dem Weg zu räumen.“ Er würdigt auch das schuldenfinanzierte Investitionsprogramm des Bundes. Das sei „eine sachlich gute und auch verlässliche Regelung zum Vorteil für Sachsen-Anhalt“, sagt der Minister.

Was tut die Magdeburger Koalition selbst für den Aufschwung? Die unmittelbaren Möglichkeiten einer Landesregierung seien begrenzt, bremst Schulze. Er nennt dann die Unternehmensförderung mit EU-Mitteln, auch Ansiedlungserfolge. Für die kommende Woche habe er zu einem Automobilgipfel eingeladen, kündigt der 45-Jährige an. Die Branche brauche eine „technologieoffene“ Strategie zur Senkung der CO2-Emissionen, fordert Schulze. Das richtet sich gegen das EU-Verbrennerverbot.

AfD will deutsche Auswanderer nach Sachsen-Anhalt holen

Das Gegenprogramm skizziert der designierte AfD-Spitzenkandidat Siegmund. Einen Aufbruch werde es nur dann geben, wenn seine Partei 2026 die Regierung übernehme, behauptet der 34-Jährige. Mit einem „Rückgewinnungsprogramm für deutsche Arbeitskräfte“ werde man Ausgewanderte nach Sachsen-Anhalt holen und hier „ein Musterland des gesunden Menschenverstands“ errichten.

Siegmund attackiert Schulze, seinen möglichen Konkurrenten bei der kommenden Landtagswahl, auch direkt. Schulze habe auf der Webseite seines eigenen Ministeriums nichts als Hochglanzfotos von sich selbst und Ideologie zu bieten, behauptet Siegmund. Als Belege nennt er Förderprogramme für Gleichstellung und Klimaneutralität.

AfD-Politiker Siegmund spricht von Israel und „fremden Interessen“

Mit Blick auf die Bundesregierung deutet Siegmund gar das Wirken ausländischer Mächte an. Seine ersten Termine habe Kanzler Friedrich Merz (CDU) in Frankreich, Polen, Brüssel und beim israelischen Präsidenten gehabt, sagt Siegmund. „Es geht ausschließlich wieder um fremde Interessen“, behauptet er.

Lesen Sie auch den Kommentar: Für den Wahlkampf reicht das noch nicht

Mehrfach bezichtigen sich Parteivertreter gegenseitig, für die beklagten Probleme selbst verantwortlich zu sein. Durch das Festhalten an der einheitlichen Strompreiszone in Deutschland werde der Nordosten für den Ausbau erneuerbarere Energien bestraft, kritisiert der Linken-Abgeordnete Wulf Gallert. Die FDP habe die Bildung mehrerer Strompreiszonen verhindert. Als FDP-Fraktionschef Silbersack die Abschaffung des sogenannten Heizungsgesetzes fordert, ist Gelächter aus der CDU zu hören. „Das habt Ihr selbst in Berlin beschlossen“, ruft ein Christdemokrat.

Berlin soll Bürokratie abbauen - und Magdeburg?

Unterschiedliche Erwartungen gibt es beim Thema Bürokratieabbau. So lobt der CDU-Wirtschaftspolitiker Ulrich Thomas, dass der Koalitionsvertrag von Union und SPD in Berlin die sogenannte „one in, two out“-Regel vorsehe. Gemeint ist: Für jede neue Regelung sollen zwei alte gestrichen werden. Was der CDU-Politiker nicht erwähnt: Im Koalitionsvertrag des Magdeburger Regierungsbündnisses ist angekündigt, für jede neue Regelung eine alte zu streichen. Bis heute ist das nicht umgesetzt.

Zu den mäßigenden Stimmen in der Debatte zählt der SPD-Politiker Holger Hövelmann. Die Spaltung des Landes beginne, wo man Unterstützer erneuerbarer Energien als „Verblendete“ bezeichne oder Bürgergeldempfänger als „Schmarotzer“, sagte Hövelmann. Für eine Rückkehr von Wirtschaftswachstum sei vielmehr Verlässlichkeit notwendig.

Grünen-Abgeordneter Meister vermisst bei Schulze „Aufbruchstimmung“

Der Grünen-Abgeordnete Olaf Meister fordert, der Staat müsse an einer „klimaneutralen, innovativen und sozial gerechten Wirtschaftsstruktur“ mitwirken. So müsse etwa der Umbau der Auto-Zulieferbetriebe von der Verbrennertechnik zur Elektromobilität begleitet werden.

Mit Blick auf die Regierungserklärung Schulzes lobte Meister den Verzicht auf Populismus, beklagte aber fehlenden Esprit: „Aufbruchstimmung kam bei mir nicht an.“