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IBG-Affäre IBG-Affäre: Muss Sachsen-Anhalt Millionen an EU zurückzahlen?

Von Jan Schumann 07.02.2018, 10:27
Schild der IBG Beteiligungsgesellschaft mbH in Magdeburg
Schild der IBG Beteiligungsgesellschaft mbH in Magdeburg dpa-Zentralbild

Magdeburg - Den Anfang machte eine Handvoll EU-Kontrolleure im Finanzministerium, nun flatterte in Magdeburg ein unerfreulicher, knapp 100 Seiten starker Bericht ein. Verfasser: das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, im Behördensprech als „Olaf“ abgekürzt.

Es ist unangenehme Post für Sachsen-Anhalts Landesregierung. Denn die europäische Anti-Korruptionsbehörde listet in dem Schreiben 44 Fälle auf, in denen bei der Vergabe von EU-Geld gegen geltende Regeln verstoßen worden sein soll. Im schlimmsten Fall drohen Rückzahlungs-Forderungen von EU-Geld.

Es geht um den Zeitraum von 2000 bis 2013 und einen Skandal, der bereits einen Untersuchungsausschuss im Landtag in Magdeburg hervorbrachte: die sogenannte IBG-Affäre. Diese landeseigene Fördergesellschaft sollte eigentlich innovative kleine und mittelständische Unternehmen in Sachsen-Anhalt mit frischem Risiko-Kapital unterstützen.

Der Gedanke dahinter: Wenn private Banken nicht aushelfen können und wollen, dann soll es das Land selbst machen dürfen.

Skandalös war jedoch, wie die IBG tatsächlich arbeitete. Unter ihrem früheren Geschäftsführer Dinnies Johannes von der Osten pumpte sie Geld in Firmen, die teils weder einen Sitz in Sachsen-Anhalt hatten, noch eine innovative Produkt-Entwicklung vorantrieben.

Sogar Briefkastenfirmen versorgte die IBG mit Geld. Mehr noch: Die Gesellschaft förderte Unternehmen, an denen von der Osten privat beteiligt war. Das hatte von der Osten im Jahr 2014 auch in seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss zugegeben. Nicht nur am damals geförderten Solarriesen Q-Cells hielt er Anteile, sondern auch an weiteren Firmen.

Sachsen-Anhalts Landesrechnungshof sprach angesichts der offenkundig fehlenden Kontrolle vernichtend von „kollektivem Versagen“.
2016 hatte der Untersuchungsausschuss im Landtag seine Arbeit bereits beendet, jetzt folgt der dicke Bericht der EU-Prüfer - nach sechs Jahren Ermittlungen. Schließlich geht es um ausgegebene EU-Gelder.

Sowohl Finanz- als auch Wirtschaftsministerium bekamen vergangene Woche Post, in der erneut Versäumnisse aufgelistet werden: Firmen kassierten zu Unrecht, sie hätten nicht den Förderungskriterien genügt. Die Frist für Stellungnahme ist Ende März, heißt es im Landes-Finanzministerium.

Dort erklärt Sprecher Wolfgang Borchert am Mittwoch zum EU-Bericht: „Die von Olaf benannten Unregelmäßigkeiten halten wir in dem beschriebenen Ausmaß für nicht zutreffend.“

Das will das Haus zusammen mit dem Wirtschaftsministerium nun seinerseits dokumentieren. Die EU-Prüfer haben ihre Arbeit indes getan: Über den Abschlussbericht und mögliche Konsequenzen diskutieren die Ministerien ab sofort mit der zuständigen EU-Generaldirektion „Regionalpolitik und Stadtentwicklung“.

In die Waagschale wird das Finanzministerium werfen, dass seit der ersten Aufarbeitung der IBG-Affäre viel passiert ist, um die Geldvergabe sicherer zu machen. So wurden die Vergaberegeln gestrafft, erklärt das Ressort: Finanzierte Maßnahmen müssen tatsächlich im Land stattfinden.

So soll verhindert werden, dass Geld an Briefkastenfirmen fließt. Das verdichtete Regelwerk ist in einem sogenannten Managementhandbuch festgelegt - dieses wird laut Finanzministerium jährlich überprüft. Zuletzt hatte es dafür Lob vom Landesrechnungshof gegeben.

Im Finanzministerium wird der Prüfbericht aktuell gewissermaßen als Nachwehe eines alten Skandals betrachtet - viele Makel der früheren Praxis seien indes aber bereits ausgeräumt.

Theoretisch könnte im aktuellen Verfahren in Einzelfällen auch die Frage auftauchen, ob Sachsen-Anhalt Geld zurückzahlen muss. Doch an diesem Punkt ist der Prozess noch nicht: Zunächst muss Sachsen-Anhalt seine Stellungnahme an die EU-Prüfer abgeben. (mz)