1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Heizkosten: Vermieter heben Mieten um hunderte Euro an - Was Mieter tun können

Teures Erdgas Heizkosten-Hammer in Sachsen-Anhalt: Erste Wohnungsfirmen heben Mieten um hunderte Euro an

Die ersten großen Wohnungsfirmen in Sachsen-Anhalt - wie in Wolfen und in Quedlinburg - heben die Abschläge für die Heizkosten um das Dreifache an. Was die betroffenen Mieter nun tun können.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 15.07.2022, 11:04
Das Wohngebiet in Wolfen-Nord: Hier werden die Wärmekosten teilweise um das Dreifache angehoben.
Das Wohngebiet in Wolfen-Nord: Hier werden die Wärmekosten teilweise um das Dreifache angehoben. Foto: Andre Kehrer

Magdeburg - Wegen steigender Energiepreise erhöhen die ersten Wohnungsgesellschaften in Sachsen-Anhalt jetzt die Warmmieten. Die Heizkosten steigen dabei mitunter um das Zwei- bis Dreifache. Die monatlichen Nebenkosten erhöhen sich dadurch beispielsweise für eine 60-Quadratmeter-Wohnung um 100 bis 200 Euro.

Eine Familie mit 120 Quadratmetern muss mit monatlichen Mehrkosten von 200 bis 400 Euro rechnen. „Wir erleben aktuell eine Kostenexplosion. Ich weiß nicht, wie das alle Mieter stemmen sollen“, sagt Jens Zillmann, Verbandsdirektor der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt.

Mieter müssen zahlen: Hohe Preisanhebungen in der Fernwärmeversorgung

Bei der Wohnungswirtschaftsgesellschaft Quedlinburg (Landkreis Harz) steigt der Fernwärmepreis nach Angaben von Geschäftsführer Sven Breuel im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um das 2,34-fache. Bezogen auf auf eine Kaltmiete von fünf Euro je Quadratmeter liegen die monatlichen Wärmekosten im Schnitt bei 2,63 Euro - zuvor waren es ein bis 1,10 Euro. „Bei einer 60 Quadratmeterwohnung steigt die Warmmiete dadurch um etwa 90 Euro“, rechnet Breuel vor. Die Wohnungsgesellschaft bezieht für 1.169 Wohnungen Fernwärme von den Stadtwerken Quedlinburg, diese wird dort mit Erdgas erzeugt.

Bei der Wohnungs- und Baugesellschaft Wolfen (Landkreis Anhalt Bitterfeld), die einen Großteil ihrer Plattenbauwohnungen in Wolfen-Nord mit Fernwärme versorgt, werden die Wärmekosten sogar um das Dreifache angehoben. Sollten Mieter bisher nur geringe Abschläge gezahlt haben, ist der Anstieg sogar noch höher. Geschäftsführer Christian Puschmann stellte der MZ ein Schreiben zu einer Mieterhöhung zur Verfügung, in der die Warmmiete von 501,99 auf 849,25 Euro steigt.

Bereits in den vergangenen Monaten haben diese Wohnungsgesellschaften auf freiwilliger Basis die Heizkostenabschläge angepasst. Mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021 werden nun die Vorauszahlungen verbindlich angepasst. Nach Angaben von Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund sind die Wohnungsunternehmen dazu berechtigt. „Wenn die Vermieter eindeutig belegen können, dass die Heizkosten 2022 steigen, kann das mit der Jahresendabrechnung 2021 angepasst werden“, so Hartmann. Mieter sollten sich jedoch die Belege für die steigenden Energiekosten vorlegen lassen.

Ich weiß nicht, wie das alle Mieter stemmen sollen.

Jens Zillmann, Verbandsdirektor der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt

Die Energiekosten steigen je nach Versorger unterschiedlich. In Magdeburg etwa wird Fernwärme auch durch eine Müllverbrennungsanlage erzeugt. Dort sind die Kosten nicht so stark gestiegen. Auch haben einige Stadtwerke noch langfristige, günstige Gaslieferverträge mit ihren Vorlieferanten. An den Großhandelsmärkte hat sich der Gaspreis zeitweise versiebenfacht. In Sachsen-Anhalt werden rund 38 Prozent der Wohnungen mit Gas beheizt, 27 Prozent durch Zentralheizung (häufig Gasbasis) und zwölf Prozent mit Heizöl. Der Rest verteilt sich auf Wärmepumpe, Holz und andere Energieträger.

Erdgas wird immer teurer: Mieter müssen deutlich mehr Nebenkosten zahlen

Der Interessenvertreter der Hauseigentümer, Haus und Grund, hat für die MZ eine Beispielrechnung für eine Erdgas-Heizung erstellt. Demnach ist der Erdgaspreis von 6,47 Cent je Kilowattstunde auf 13,26 Cent gestiegen. Bei einer Wohnung von 80 Quadratmetern und einem jährlichen Verbrauch von 163 Kilowattstunden je Quadratmeter ergeben sich jährliche Mehrkosten von 885,42 Euro oder 73 Euro im Monat. Allerdings: Zur Berechnung wurde der durchschnittliche Haushaltsgaspreis von April 2022 verwendet. Viele Versorger haben erst im Sommer 2022 erhöht.

Sachsen-Anhalts Wohnungsverbandschef Zillmann hat daher einen Brandbrief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geschrieben. Der Verband warnt vor Insolvenzen von Wohnungsfirmen und Stadtwerken, da die Mieter mitunter die höheren Kosten nicht zahlen können. „Betroffen sind vor allem Rentner und Geringverdiener“, so Zillmann. Bei Hartz-IV-Empfängern müssten die Jobcenter die Kosten übernehmen. Mit einer einmaligen Energiepauschale von 300 Euro will die Bundesregierung die Bürger unterstützen. Für Kostenexplosionen bei Stadtwerken ist laut Habeck nicht der Bund zuständig. In einem Schreiben an die Wirtschaftsminister der Länder heißt es: „Ich möchte um Ihr Verständnis werben, dass wir bei hilfebedürftigen Stadtwerken die Verantwortung grundsätzlich bei den jeweiligen Kommunen bzw. in Ihren Landesregierungen sehen.“

Extreme Preise für die Fernwärme: So können Mieter ihre Heizkosten senken

Nach Ansicht von Energieexperte Hans Weinreuter von der Verbraucherzentrale können die Mieter jedoch durch Energiesparen die Kosten deutlich senken. „Die Absenkung der Raumtemperatur um ein Grad bedeutet sieben Prozent weniger Energieverbrauch“, so Weinreuter. Allerdings gelte das nur, wenn in allen Räumen die Temperatur gesenkt werde. Zudem empfiehlt Weinreuter Stoßlüften: „Das Fenster anzukippen, ist reine Energieverschwendung.“ Sehr effektiv seien auch elektronisch steuerbare Heizkörperthermostate. „Tagsüber, wenn niemand in der Wohnung ist, regeln diese dann selbstständig die Heizung runter.“

Der Verbraucherschützer hält jedoch nichts davon, wenn Wohnungsgesellschaften einseitig das Warmwasser auf bestimmte Zeiten einschränken oder die Heizung nachts runterfahren. „Für Familien mit Babys oder Kranke ist so etwas nicht zumutbar“, so Weinreuter. Gesetzlich gebe es für solche Maßnahmen keine Grundlage.