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Halle bleibt Nummer eins Halle bleibt Nummer eins: Bevölkerungsschwund! Sachsen-Anhalt schrumpft weiter

Von Jan Schumann 15.06.2019, 08:00

Magdeburg - 84 Einwohner. Nicht viel, aber immerhin. Um 84 Einwohner ist die Stadt Halle im vergangenen Jahr gewachsen. Und ist damit bereits ein Lichtblick in Sachsen-Anhalt. Denn nur eine Stadt im Bundesland wuchs 2018 noch stärker. Magdeburg. Mit 219 Menschen.

Trotzdem: Halle bleibt vorerst die größte Stadt im Land. Die Saalestadt zählt mit 239 257 Einwohnern genau 560 mehr als Magdeburg an der Elbe. Das zeigt die neueste Erhebung des Statistischen Landesamtes für das Jahr 2018, die am Freitag veröffentlich wurde.

Das wichtigere Ergebnis ist allerdings: Die beiden Großstädte sind die einzigen stabilen Landesteile. Alle restlichen Regionen in Sachsen-Anhalt schrumpfen. 2018 verlor das Bundesland laut Zählung 14 760 Menschen (0,7 Prozent der Bevölkerung), das entspricht ungefähr der Größe der Stadt Sandersdorf-Brehna im Kreis Anhalt-Bitterfeld. In ganz Sachsen-Anhalt lebten demnach zuletzt 2,2 Millionen Personen.

Geht es nach den neuen Erhebungen, beschleunigte sich der Schrumpfkurs zuletzt: 2016 und 2017 hatte das Land noch etwas weniger Einwohner verloren (0,5 und 0,6 Prozent). Die größten Verluste gab es laut Statistischem Landesamt im Kreis Mansfeld-Südharz. Er verlor in einem Jahr 1,3 Prozent der Bevölkerung, das waren genau 1 764 Menschen.

Es ist eine Entwicklung, die es tendenziell in den meisten ostdeutschen Regionen gibt. Erst vor Tagen hatte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), gewarnt: „Ursache des massiven Bevölkerungsverlusts ist die schlechte Entwicklung im Osten nach der Teilung unseres Landes.“ Der MZ hatte er gesagt: „Das verursacht einen Teil des Frustes und der gesellschaftlichen Probleme heute.“

Wie Sachsen-Anhalt verlor ganz Ostdeutschland Bevölkerung und Arbeitskraft. Aus Sicht des Ökonomen Joachim Ragnitz braucht der Osten mehr Zuwanderer aus Drittstaaten, um wirtschaftlich aufzuholen.

„In einzelnen ostdeutschen Regionen wird die Zahl der Erwerbsfähigen bis 2030 um rund ein Drittel zurückgehen“, sagte der Vize-Chef des Ifo-Institutes angesichts neuer Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung im Osten. Rückkehrer aus Westdeutschland könnten die Lücke nicht schließen. Auch das Potenzial von Arbeitskräften aus anderen EU-Ländern sei beschränkt.

„Wenn die Stellen nicht besetzt werden, sind negative Wachstumswirkungen zu erwarten“, sagte Ragnitz. „Da das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz nun verabschiedet ist, sind die rechtlichen Hindernisse für eine gezielte Anwerbung von gut qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern beseitigt.“

Aus Sicht des Wissenschaftlers ist es jetzt nötig, aktiv um Zuwanderer zu werben. Die für den Osten typischen kleinen und mittleren Unternehmen könnten aber kaum eine eigenständige Suche im Ausland unternehmen: „Sie brauchen staatliche Unterstützung, um gezielt Arbeitskräfte anzuwerben“, erklärte Ragnitz.

„Um die Attraktivität der ostdeutschen Länder für ausländische Arbeitnehmer zu steigern, müssten die Löhne steigen und die allgemeine Infrastruktur verbessert werden“, erklärte Ragnitz weiter: „Wichtig wäre es auch, die Bereitschaft der Unternehmen zu erhöhen, Fachkräfte aus anderen Ländern zu beschäftigen.“ Dies scheitere im Moment häufig an Vorbehalten in der ostdeutschen Bevölkerung. (dpa)

Anlass der kritischen Analyse waren neuen Zahlen des Dresdner Ifo-Instituts, die bundesweit für erhebliches Aufsehen gesorgt hatten: Nach einer Studie ist die Einwohnerzahl im Osten Deutschlands auf den Stand des Jahres 1905 zurückgefallen - zugleich leben in den westdeutschen Bundesländern mehr Menschen als je zuvor, so das Dresdner Institut.

„Die Einwohnerzahlen beider Landesteile driften trotz Wiedervereinigung nahezu ungebremst auseinander“, hatte Ifo-Forscher Felix Rösel analysiert.

„Die anhaltende Wucht der deutschen Teilung wird bis heute in der Öffentlichkeit völlig unterschätzt. Dieser Aspekt wird häufig übersehen und bedarf besonderer politischer Berücksichtigung.“

Im Detail hatte das Ifo dargelegt, dass in Ostdeutschland derzeit 13,6 Millionen Menschen leben, in Westdeutschland hingegen 68 Millionen. Vor allem die Abwanderung vor der Deutschen Teilung und nach der Wiedervereinigung seien Einschnitte gewesen.

Negative Effekte der Abwanderung würden sich selbst in wachsenden Ost-Metropolen niederschlagen: „Dresden und Leipzig hätten heute doppelt so viele Einwohner und wären Millionenstädte, wenn sie genauso wie der Westen gewachsen wären“, sagte Rösel.

Noch bis zur Teilung hätten sich Ost und West parallel entwickelt. „Der ländliche Raum im Osten ist infolge der deutschen Teilung regelrecht ausgeblutet“, so Rösel. „Ein Ende der Förderung des ländlichen Raumes in Ostdeutschland wäre eine doppelte und deshalb besonders ungerechte Bestrafung.“

Auch der Ostbeauftragte Hirte sagte, er unterstütze ausdrücklich die Forderung, bei staatlicher Strukturförderung den ländlichen Raum nicht zu vernachlässigen. (mz)