Serie: „Die Freizeitmacher“ in Sachsen-Anhalt Griff nach den Sternen: Was man in der Arche Nebra über die Himmelscheibe lernt
Die Arche Nebra am Fundort der weltberühmten Himmelsscheibe entführt Besucher in die Welt der Bronzezeit genauso wie in die Tiefen des Alls. Warum man das auf jeden Fall erleben sollte, erklärt Leiterin Bettina Pfaff.

Nebra/MZ. - So sehr man sich auch bemühen mag, der Griff nach den Sternen geht ins Leere. Dabei scheint die weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra doch tatsächlich zum Greifen nah zu sein – das aber ist nur eine optische Illusion, möglich durch spezielle Spiegel, die das Auge täuschen.
„Es wird Ihnen nicht gelingen, die Scheibe zu berühren“, sagt Bettina Pfaff und schmunzelt, während man selbst den Arm an einer der Mitmachstationen in der Arche Nebra immer weiter reckt und streckt. Ein spielerischer Zugang zum Thema der Ausstellung – und irgendwie auch symbolisch. Denn die rund 3.600 Jahre alte bronzene Himmelsscheibe, die weltweit älteste bekannte Darstellung des Kosmos, um die sich das ganze Konzept der Arche dreht, ist schließlich gar nicht selbst vor Ort. Sie wird eine knappe Autostunde entfernt im Landesmuseum in Halle präsentiert.

Mit welchem Argument lockt man also Besucher auch hierher, in ein Besucherzentrum in Wangen inmitten der ländlichen Saale-Unstrut-Region? „Wir haben hier den Fundort der Himmelsscheibe – das ist sozusagen unser Original“, antwortet Pfaff, die mit einem kleinen, engagierten Team die Arche leitet. Um die ganze Geschichte des archäologischen Sensationsfundes zu realisieren, die vor Tausenden von Jahren begann und sich schließlich in unserer Zeit durch eine Raubgrabung 1999 und ein fingiertes Ankaufsgespräch 2002 in einem Schweizer Hotel inklusive Polizeizugriff zu einem Krimi entwickelte, solle man unbedingt hierherkommen.
Und das scheinen selbst an diesem heißen Sommertag bei bestem Freibadwetter zahlreiche Menschen zu beherzigen. Familien, Großeltern mit Enkeln, Radfahrer: Sie alle schlendern durch die hohen Räume, um hier in die faszinierende und sicher auch ein wenig geheimnisvoll wirkende Bronzezeit einzutauchen.

Wir haben hier den Fundort, das ist sozusagen unser Original.
Bettina Pfaff, Leiterin Arche Nebra
Das Arche-Erlebnis beginnt jedoch schon ein gutes Stück früher. Wenn man vom Parkbereich, der neben Wohnmobilen und Autos auch Fahrrädern in speziellen Garagen Platz bietet, die letzte Anhöhe hinaufgeht, dann taucht das Gebäude fast schon unwirklich in der Landschaft auf und zieht den Blick mit seiner unverwechselbaren Architektur auf sich. Das Gebäude, entworfen von Schweizer Architekten, zitiert das goldene Sonnenschiff, eines der Elemente der Himmelsscheibe, und scheint über dem Boden zu schweben.
Ein Raumschiff nebenan
„So ein außergewöhnlicher Jahrhundertfund der Archäologie, der braucht auch ein außergewöhnliches Gebäude, das darüber informiert“, erklärt Pfaff die architektonische Vision. Das Gebäude schlägt eine Brücke zwischen der uralten Sehnsucht des Menschen, die Geheimnisse des Universums zu ergründen, und einer fast futuristischen Anmutung.
Und so passt es auch, dass direkt neben der Arche Nebra ein Raumschiff „gelandet“ ist. Gerade erst ist dieser „Outer Space“ eingeweiht worden, der optisch ganz bewusst an ein Ufo erinnert. Er dient als Lern- und Erlebnisort, etwa für Gruppenangebote, bei denen Kindern spielerisch zum Beispiel Basiswissen aus der Astronomie vermittel wird.

Erkenntnisse aus der Forschung kommen natürlich auch in der Arche selbst nicht zu kurz. „Wir sind hier kein klassisches Museum, wir haben sicherlich ein paar Freiheiten mehr in der Gestaltung“, betont Bettina Pfaff, während sie durch die Ausstellung führt. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass die packende Entdeckungsgeschichte der archäologischen Weltsensation auf einem Bildschirm als Kasperletheater erzählt wird. Oder daran, dass man eine riesige Himmelsscheibe quasi auf einer Empore erklimmen kann, „ein beliebtes Fotomotiv“, sagt Bettina Pfaff.
Genauso wie einige meterhohe Elemente, die der Sonne, der Mondsichel und dem Sternhaufen der Plejaden nachempfunden wurden, die auf der originalen Bronzescheibe dargestellt sind. Doch bei alledem wird stets darauf geachtet, die Fakten rund um die archäologische Kostbarkeit und ihre Geschichte zu vermitteln – mit Schaubildern, Videos und Infotexten. „Alles, was wir hier zeigen, ist wissenschaftlich fundiert.“
Planetarium als Herzstück
Und es ist so aufbereitet, dass es den Besuchern kurzweilig Wissen vermittelt – mit modernster Technik: im Herzstück der Arche, im Planetarium. Hier wird unter einer 360-Grad-Kuppel zweimal pro Stunde die speziell für die Arche produzierte Show „Eine Reise ins Universum der Bronzezeit“ präsentiert. Dabei können jeweils gut 40 Besucher in die Tiefen des Weltalls und in die Bronzezeit auf der Erde eintauchen und erfahren, welches komplexe astronomische Wissen die Menschen schon vor Jahrtausenden auf der Himmelsscheibe verschlüsselt haben.

Etwa wie sie damit wichtige Daten im Jahresverlauf bestimmen konnten. Wie sie wussten, wann es Zeit für einen „Schaltmonat“ war. Und wie die Himmelsscheibe und ihr Wissen mit anderen markanten Orten verbunden sind – sei es mit dem Ringheiligtum Pömmelte im eigenen Bundesland oder mit dem weltberühmten Megalith-Bauwerk Stonehenge in England.
Gut 20 Minuten ruhen viele Blicke gebannt auf der Leinwand, dann geht das Licht an und die Gäste strömen wieder hinaus in die Ausstellung. Einige von ihnen lauschen dem Audioguide, der kostenlos aufs Smartphone heruntergeladen oder an der Kasse geliehen werden kann und die wichtigsten Punkte der Arche näher beleuchtet. Mehrsprachig sowie in leichter Sprache, auch speziell als Führung für Menschen mit Sehbehinderung – oder als Hörspielerlebnis für Kinder. Für die breite Zielgruppe, die man anspricht.
„Wir haben hier von April bis Ende Oktober unsere Hochsaison“, erläutert Pfaff. Die meisten Besucher kommen aus einem Umkreis von 200 Kilometern, vor allem aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. Doch auch Gäste aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und sogar Berlin finden den Weg hierher, oft für ein verlängertes Wochenende im Unstruttal, das ein klassisches Kurzreiseziel ist.
Etliche erkunden natürlich nicht nur die Arche selbst, sondern erwandern auch den Mittelberg, wo die Scheibe einst vor langer Zeit vergraben und viele, viele Jahre später wieder ausgegraben wurde. Ein gigantisches Panoramafenster in der Arche eröffnet den Blick auf die drei Kilometer entfernte Erhebung mit einem großen Aussichtsturm, in dessen Nähe der Fundort mit einem „Himmelsauge“, einer Scheibe aus poliertem Edelstahl, markiert ist.
Wenn Bettina Pfaff, die aus dem Schwarzwald stammt, diesen Ausblick genießt, weiß sie, welchen besonderen Arbeitsplatz sie hier in Nebra hat. Seit fast zwei Jahrzehnten ist sie nun in der Arche tätig. „Und ich glaube nicht, dass es einen Tag gab, an dem es langweilig gewesen wäre.“