Nahverkehr in Sachsen-Anhalt „Die Bürger laufen Sturm“: Das sind die Folgen der Streckensperrungen im Harz
Ohne Vorwarnung sperrt die Deutsche Bahn mehrere Linien in Sachsen-Anhalt, die Urlaubsregion Harz ist nahezu abgeschnitten. Bei Bürgern und Politikern sorgt das für Unverständnis. Wie es nun weitergehen soll.

Halle/MZ - Wer auf der Schiene in den Harz reisen will, schaut derzeit in die Röhre: Ohne Vorwarnung hat die Deutsche Bahn (DB) mehrere Nahverkehrsstrecken in Sachsen-Anhalt gesperrt.
Betroffen ist vor allem die Urlaubsregion Harz. Thale und Blankenburg sind laut dem Verkehrsunternehmen Abellio, für das die DB die Strecken zur Verfügung stellt, vom Netz abgeschnitten. Auch die Verbindungen Halberstadt-Goslar, Bernburg-Könnern und seit Mittwoch auch Halberstadt-Aschersleben, sowie Staßfurt-Güsten wurden gestrichen. In Sachsen-Anhalt stößt das auf Unverständnis: „Ich fordere, alle erdenklichen Maßnahmen einzuleiten, um diese inakzeptable Situation zu beenden“, sagte Landesverkehrsministerin Lydia Hüskens (FDP).
Grund für die kurzfristigen Sperrungen ist laut Bahn der Austausch von Betonschwellen. Bei einer Inspektion sei festgestellt worden, dass auf den Strecken ein bestimmter Typ verbaut ist, sagte ein Bahnsprecher auf MZ-Nachfrage. Die Betonschwellen lagen nach Angaben des Konzerns auch auf dem Abschnitt in Garmisch-Partenkirchen (Bayern), auf dem Anfang Juni ein Zug entgleiste. Fünf Menschen starben bei dem Unfall. Es bestehe der Verdacht, dass die Betonschwellen eine Ursache für das Unglück seien, so der Sprecher weiter.
Sperrung im Harz wegen Betonschwellen: bundesweit 200.000 Stück verbaut
Bundesweit sind demnach 200.000 Stück dieses Typs verbaut, sie sind durchschnittlich erst fünfzehn Jahre alt. Bereits Mitte Juli hatte die Bahn angekündigt, sie austauschen zu wollen. Am Montag sei die Entscheidung gefallen, sie auf den Strecken in Sachsen-Anhalt umgehend auszuwechseln. „Wir wollen für Sicherheit sorgen.“
Laut Abellio hatte die Bahn die Sperrungen erst am Montagnachmittag bekanntgegeben. Man habe daher keine Zeit gehabt, einen Schienenersatzverkehr zu organisieren, sagte Abellio-Sprecher Stefan Dietrich der MZ. Es fehle an Busfahrern und Fahrzeugen. „Wir versuchen auf Hochtouren, einen Ersatzverkehr einzurichten. Aber es ist extrem schwierig.“ Wann die Strecken wieder freigegeben werden, ist unklar. Die DB nannte auf Nachfrage keinen Zeitpunkt. Abellio sowie der Fahrgastverband Pro Bahn rechnen mit einer Freigabe Ende August.
Bahnverkehr im Harz: Thale ist abgeschnitten
Im Harz sorgt das Chaos auf der Schiene derweil für lange Gesichter. „Für die Stadt ist das völlig inakzeptabel“, sagte Thales Bürgermeister Maik Zedschack (CDU). Die Stadt ist seit Montagnachmittag nicht mehr per Schiene erreichbar. Gerade jetzt, in der Urlaubssaison, nach zwei Coronajahren, zur Zeit des Neun-Euro-Tickets. Hinzu kämen Pendler, die auf die Schiene angewiesen seien, betonte der Bürgermeister. „Die Bürger laufen völlig zu Recht Sturm.“
Für den Tourismus - etwa Tierpark, Seilbahn und Sommerrodelanlage - sei das Ausbleiben der Gäste, die per Bahn ins Bodetal reisten, zudem ein herber Schlag. Er telefoniere nun selbst Busunternehmen ab, um für Ersatz zu sorgen, berichtete Zedschack. „Das ist eigentlich nicht meine Aufgabe.“
Streckensperrung im Nahverkehr in Sachsen-Anhalt: Fahrgastverband rügt DB
Der Fahrgastverband Pro Bahn zeigte indes Verständnis für die „Dringlichkeit“ des Schwellentauschs. Kritik übte er hingegen an der Kommunikation: „Die Menschen werden allein gelassen“, sagte Verbandssprecher Carsten Schulze-Griesbach. Weder Abellio noch die DB hätten den Fahrgästen Alternativen zur Schiene angeboten. „Das kann so nicht bleiben.“ Ersatzbusse? Seien bundesweit allerdings Mangelware, sagte Schulze-Griesbach. „Das System ist runtergekürzt.“
Wer am Dienstag also ohne Auto ins Mittelgebirge reisen wollte, dem blieben zunächst nur die planmäßigen Busse von Ort zu Ort. Noch am späten Nachmittag teilte Abellio jedoch mit: Ein Schienenersatzverkehr für die Strecke zwischen Quedlinburg und Thale sei nun eingerichtet, auch zwischen Goslar und Wernigerode verkehre ein Sonderzug.