Gesundheitsberufe Tausende Verstöße gegen die Corona-Impfpflicht in Sachsen-Anhalt
Seit März muss Personal im Gesundheitswesen gegen Corona geimpft sein. Die Einrichtungen melden Beschäftigte den Behörden. Doch Bußgelder oder Verbote gab es nicht.

Halle/MZ - Sie ist eine der umstrittensten Maßnahmen der Corona-Politik: Seit Mitte März gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Doch in Sachsen-Anhalt sind bisher keine Sanktionen wie Bußgelder oder Beschäftigungsverbote verhängt worden. Das geht aus einer Umfrage der MZ hervor. Tausende Verstöße sind den Gesundheitsämtern zwar inzwischen gemeldet worden. Mit einem schnellen Abschluss der Verfahren ist durch die Überlastung der Gesundheitsämter aber kaum zu rechnen.
Laut Gesundheitsministerium waren bis Ende März über 8.000 Personen gemeldet worden, die nicht oder nicht vollständig geimpft sind. Das seien rund fünf Prozent der Beschäftigen im Gesundheits- und Pflegewesen, so eine Sprecherin. In der Landeshauptstadt gibt es mit Abstand die meisten Verstöße: 1.600 Fälle haben die Einrichtungen in Magdeburg angegeben. „Nur ein Bruchteil hat sich zurück gemeldet“, sagt Gesundheitsamtsleiter Eike Hennig. Er hält Betretungs- oder Beschäftigungsverbote für unwahrscheinlich. Es gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. „Die Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen darf nicht gefährdet werden. Sind Mitarbeiter unverzichtbar, müssen sie weiter arbeiten können.“
Grundsätzlich kommt eine Ordnungswidrigkeit in Betracht.
Pressestelle Stadt Halle
Seit 16. März müssen Kliniken, Pflegeheime, Praxen und andere Einrichtungen Mitarbeiter ohne Impf- oder Genesenen-Nachweis oder ein Attest melden. Reichen Betroffene diese nicht nach, folgt eine Anhörung zu einem Bußgeldverfahren. Anschließend können die Ämter ein Bußgeld verhängen, Schutzmaßnahmen anordnen oder Tätigkeitsverbote verfügen.
Die Stadt Halle verweist zunächst auf mildere Mittel. „Grundsätzlich kommt eine Ordnungswidrigkeit in Betracht“, erklärt die Pressestelle. Dennoch würden in diesen Fällen auch Tätigkeits- oder Betretungsverbote geprüft. Eine Rolle spiele dabei „die personelle Situation beim betroffenen Arbeitgeber“. Die Stadt Halle bearbeitet aktuell rund 1.100 Fälle. Die meisten Beschäftigten arbeiten in Kliniken, bei Pflegediensten, in Pflegeheimen und in Praxen. „Mit ersten Ergebnissen dieser Prüfungen ist frühestens Ende Mai zu rechnen.“
Impfpflicht in den Einrichtungen des Gesundheitssektors: Fristen nicht zu halten
In Dessau-Roßlau wurden rund 400 Verstöße gemeldet, im Landkreis Wittenberg 440. Laut Erlass des Sozialministeriums soll die Bearbeitung nicht länger als drei Monate dauern. Ob das zu halten ist, bezweifelt Landkreissprecher Alexander Baumbach. Er verweist auf die „extreme Auslastung“ der Behörde. „Wir kommen der gesetzlichen Verpflichtung nach. Aber die Bearbeitung hat mit Blick auf die Pandemie und Aufnahme Geflüchteter definitiv keine Priorität.“
Die Sozialverbände im Land wollen indes die Impfquote in den Einrichtungen weiter erhöhen. 95 Prozent der Beschäftigten bei der Arbeiterwohlfahrt seien geimpft, sagt Sprecherin Cathleen Paech. Mit ungeimpften Mitarbeitern werde das Gespräch gesucht. „Bisher hat das Gesundheitsamt keinen Kontakt aufgenommen. Wir warten erstmal ab.“ Kündigungen gab es auch in der Uniklinik in Halle nicht. Von rund 5.400 Beschäftigten seien drei Prozent nicht geimpft oder genesen. Über mögliche Sanktionen wolle man nicht spekulieren. Das Deutsche Rote Kreuz fordert „einen verantwortlichen Umgang mit den Regelungen“, so Landeschef Carlhans Uhle. „Der Personalmangel stellt bereits jetzt Einrichtungen und Dienste vor Probleme.“
Eike Hennig vom Gesundheitsamt in Magdeburg hält die einrichtungsbezogene Impfpflicht ohnehin für „hoch problematisch. Das Gesetz passt nicht in die Zeit“. Er verweist auf Verfassungsbeschwerden und die aktuelle Debatte um eine Abschaffung.