Blamage für Stahlknecht Blamage für Stahlknecht: CDU nimmt Ex-NPD-Mann und AfD-Mitarbeiter auf

Magdeburg - Stefan Träger beweist politisch erstaunliche Flexibilität. Tagsüber verdient er sein Geld als Wahlkreismitarbeiter des AfD-Landtagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt, eines Rechtsaußen in seiner Partei. Nach Feierabend sieht sich Träger allerdings als Christdemokrat.
Recherchen der MZ belegen: Der AfD-Mitarbeiter wurde bereits vor einem Jahr in die CDU aufgenommen. Das bringt die Partei von Angela Merkel in die Bredouille. Denn Trägers Vita hat noch mehr Facetten: Bei der Bundestagswahl 2009 kandidierte er für die rechtsextreme NPD.
Verantwortlich für die Aufnahme in die CDU ist ausgerechnet Holger Stahlknecht, CDU-Kreisvorsitzender in der Börde und Landesinnenminister. Bereits am 8. Juni 2016 erreichte der online gestellte Aufnahmeantrag des früheren Rechtsextremen Stahlknechts Kreisverband.
Nach der Parteisatzung kann der zuständige Vorstand dem Beitritt widersprechen - innerhalb von vier, spätestens sechs Wochen. Geschieht das nicht, gilt die Aufnahme als vollzogen. Stahlknechts Börde-CDU reagierte nicht.
Wochen später, am 13. September, wurde Träger sogar ein weiteres Mal aufgenommen - dieses Mal durch ausdrücklichen Beschluss des Kreisvorstandes. Niemand habe die Vorgeschichte von Träger gekannt, sagt Stahlknecht am Donnerstag auf MZ-Nachfrage. „Er hat seine NPD-Kandidatur arglistig verschwiegen, ebenso seine Arbeitsstelle bei einem AfD-Abgeordneten.“
NDP-Kandidatur „arglistig verschwiegen"?
Eine einzige Suchabfrage bei Google hätte allerdings genügt, um das herauszufinden. Dass Träger Anstellung bei einem AfD-Abgeordneten fand, hatte bereits im April 2016 Schlagzeilen gemacht. Damals stand die AfD in der Kritik. Landeschef André Poggenburg verteidigte die Entscheidung. Niemand dürfe sein Leben lang „für eine Jugendsünde stigmatisiert werden“, sagte er. AfD-Mitglied durfte Träger allerdings nie werden. Für frühere Mitglieder extremistischer Organisationen gilt laut AfD-Satzung ein Aufnahmeverbot.
Die CDU hingegen hatte keinen Mechanismus, um Träger fernzuhalten. Erst der Parteibasis fiel auf, dass da etwas nicht stimmen konnte. Träger stammt aus Wefensleben, einem Dorf nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen. Zuständig ist der CDU-Ortsverband Ummendorf. Dessen amtierende Vorsitzende Astrid Jung-Beckermann erhielt im Frühsommer 2017 die aktuelle Mitgliederliste - und alarmierte den Kreisvorstand. Am 14. Juni 2017 widerrief dieser seinen früheren Aufnahmebeschluss.
Träger wehrte sich und legte Widerspruch ein. Am Dienstag dieser Woche erreichte die Personalie die Top-Etage in Sachsen-Anhalts CDU. Der Landesvorstand bekräftigte den Widerruf der Mitgliedschaft. „Damit ist Träger juristisch nicht länger Mitglied der CDU“, sagt Landesgeschäftsführer Mario Zeising.
Angela Merkel rügt Partei-Kollegen im Magdeburger Landtag
Für die Partei ist die Blamage dennoch groß. Sachsen-Anhalts Christdemokraten stehen derzeit unter besonderer Beobachtung. In der vergangenen Woche hatte CDU-Bundeschefin Angela Merkel ihre Parteifreunde im Magdeburger Landtag gerügt, weil die einem AfD-Antrag mehrheitlich zugestimmt hatten. Auch die Aufnahme des einstigen AfD-Abgeordneten Jens Diederichs in die CDU-Fraktion wird vielerorts kritisch betrachtet.
„Das ist keine schöne Sache“, sagt der Generalsekretär der Landes-CDU, Sven Schulze, mit Blick auf Träger. „Wenn man gewusst hätte, wer das ist, hätte man ihn nie aufgenommen. Wir wollen solche Leute nicht in unserer Partei haben.“ Einen Verantwortlichen will er nicht benennen. „Es war wohl eine Verkettung unglücklicher Umstände“, sagt Schulz.
Kreischef Stahlknecht sieht keinen Fehler bei sich. „Ich beschäftige mich in erster Linie mit Demokraten, nicht mit Extremisten“, sagt er. „Deshalb kannte ich diesen Mann nicht.“ Man könne auch von niemandem verlangen, sämtliche Personen vor einem Parteibeitritt zu überprüfen.
In anderen Kreisverbänden allerdings passiert das. „Natürlich erkundigt man sich bei Neuen erstmal, wer das eigentlich ist“, heißt es aus einem anderen Vorstand. Die Börde-CDU ist bereits früher durch chaotische Organisation aufgefallen. Ende des vergangenen Jahres musste die Landesgeschäftsstelle die Finanzverwaltung übernehmen, die offenbar überforderte Geschäftsführerin wurde abgelöst. Auch bei ihrem Vorgänger hatte es finanzielle Unstimmigkeiten gegeben. Beide Mitarbeiter hatte Stahlknecht eingestellt.
Träger reagierte am Donnerstag nicht auf eine MZ-Anfrage. Sein Arbeitgeber, der AfD-Abgeordnete Schmidt, nannte Trägers CDU-Beitritt eine Privatsache. „Aber ich hoffe natürlich, dass er bei der Bundestagswahl die AfD wählt.“ (mz)