Umbau mit Risiko Bahn-Umbau mit Risiko: Abellio sucht händeringend Lokführer und Zugbegleiter

Acht Wochen vor einem großen Umbruch für den Schienenverkehr in Sachsen-Anhalt kämpft das Bahnunternehmen Abellio mit Personalproblemen. Die Tochter der niederländischen Staatsbahn betreibt vom 9. Dezember an auch das sogenannte Dieselnetz Sachsen-Anhalt, zu dem 16 Strecken gehören.
Abellio sucht jedoch noch immer Lokführer und Zugbegleiter. „Die Personalakquise ist schwieriger als erwartet“, sagte Unternehmenssprecher Matthias Neumann der MZ. „Wir kämpfen auf allen Ebenen.“Rund 180 Lokführer braucht Abellio für die zusätzlichen Strecken.
170 Arbeitsverträge sind nach Unternehmensangaben unterschrieben. Eingerechnet sind aber auch 50 Quereinsteiger, die eine neunmonatige Umschulung durchlaufen. Zwei der vier Kurse enden erst im Januar und damit zu spät für den Fahrplanwechsel im Dezember.
Abellio will die Lücke mit ungewöhnlichen Mitteln schließen. Man stelle sich darauf ein, übergangsweise Lokführer aus Stuttgart zu holen, sagte Unternehmenssprecher Neumann. Dort ist Abellio ebenfalls aktiv. Man gebe alles, um in Sachsen-Anhalt reibungslos zu starten, versichert das Unternehmen.
Personalprobleme bei Abellio: Lokführer und Zugbegleiter dringend gesucht
Bundesweit fehlen nach Angaben der Bahngewerkschaften 1000 bis 1200 Lokführer, auch die Deutsche Bahn (DB) und andere Unternehmen suchen. Auf diesem knappen Markt muss sich Abellio für sein wachsendes Netz versorgen. Eine Lücke gibt es indes auch bei Zugbegleitern. 180 muss das Unternehmen finden, angeheuert sind derzeit 150.
Abellio hat sich das Dieselnetz Sachsen-Anhalt vor drei Jahren bei einer Ausschreibung gesichert. Bislang waren auf den 16 Strecken DB Regio und HEX unterwegs, beide Anbieter gingen dieses Mal leer aus. Der Auftrag des Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt (Nasa) läuft bis 2032 und hat ein Gesamtvolumen von rund 1,5 Milliarden Euro. Diese Summe zahlt das Land Sachsen-Anhalt als Zuschuss.
Bislang bedient Abellio in Mitteldeutschland Linien zwischen Halle, Kassel, Leipzig und Nordthüringen. Zu den neuen Strecken gehören auch fahrgaststarke Verbindungen wie Halle-Halberstadt-Goslar, Magdeburg-Sangerhausen-Erfurt und Magdeburg-Halberstadt–Thale/Blankenburg/Goslar. Mit diesem Zuwachs liegt Abellio in Sachsen-Anhalt fast gleichauf mit dem früheren Monopolisten DB Regio: Dieser kommt auf 13,5 Millionen Zugkilometer, Abellio auf zwölf Millionen.
Gewerkschaft EVG kritisiert private Anbieter
Gewerkschafter sehen das schnelle Wachstum mit Sorge. „Viele private Bahnunternehmen gehen an das Thema Personal zu blauäugig heran. Die nehmen der Deutschen Bahn Strecken weg und denken, dass die Mitarbeiter dann schon kommen werden“, sagte Uwe Reitz von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).
Für viele DB-Mitarbeiter sei es aber attraktiver, in einem großen Konzern zu arbeiten, der auch bei einer Arbeitsunfähigkeit als Lokführer eine andere Verwendung anbieten könne und zudem Sonderleistungen für langjährige Arbeitnehmer biete. Bislang habe fast ausschließlich die DB Lokführer ausgebildet, kritisiert die Gewerkschaft. „Private Unternehmen belassen es meist bei einer Schnellbesohlung von Quereinsteigern“, sagte der Sprecher.
Eine reguläre Lokführer-Ausbildung über 3,5 Jahre will Abellio Mitteldeutschland im kommenden Jahr für vier Azubis anbieten. Damit wolle man die künftige Fluktuation ausgleichen, heißt es. In Zukunft werde man auch darüber nachdenken müssen, Lokführer aus der Ukraine oder Tschechien anzuwerben. (mz)