Handwerkskammer Halle warnt Bäckern in Sachsen-Anhalt droht Pleitewelle wegen hohen Energiekosten
Sachsen-Anhalts Handwerkskammern sind in größter Sorge: Die Krise am Energiemarkt bedroht Bäckereien in ihrer Existenz. Reichen die Hilfe vom Bund?

Magdeburg/MZ - Sachsen-Anhalts Bäckern droht wegen explodierender Energiepreise eine Pleitewelle. Die aktuelle Lage sei für die Mittelstandsunternehmen „sehr bedrohlich“, erklärte die Handwerkskammer Halle auf MZ-Anfrage.
Schon vor dem Preisschock auf dem Energiemarkt seien Bäckereien durch Corona-Krise und steigende Rohstoffpreise für Mehl und Obst geschwächt. „Nunmehr kommt die Energieproblematik, die Betriebe ernsthaft über das Aufgeben nachdenken lässt“, warnt die Kammer. Gaspreis-Steigerungen um 200 Prozent seien für handwerkliche Großverbraucher schlicht nicht zu verkraften.
Bäcker finden keine Energie-Alternative
Im Bäckerhandwerk setzen die meisten Betriebe auf Gas, Öl und Strom - schnelle Alternativen sind nicht zu haben, neue Öfen kosten oft fünfstellige Summen. Das simple Problem der Bäckermeister: Würden sie die Brötchenpreise analog zum Gaspreis erhöhen, würden Kunden an der Kasse abwinken. So befürchten es die Innungen und Handwerkskammern.
Das unternehmerische Problem: Gezielte Staatshilfen fehlten bisher, beklagt die hallesche Kammer. Kleine Bäckereien würden aktuell gar nicht oder nur äußerst selten von Hilfspaketen profitieren – „Großbetriebe aber durchaus schon“, sagt Kammersprecher Jens Schumann. Auf diesem Wege könnten im schlimmsten Fall kleine Betriebe sterben, während die großen sich retten.
Erste Abmeldungen in Sachsen-Anhalt
Erste Meldungen über abgemeldete Betriebe gibt es schon. In Dessau-Roßlau schließt Ende September eine Traditionsbäckerei, die 2023 eigentlich ihr 75-jähriges Bestehen gefeiert hätte. „Ich habe die Preise bereits zweimal erhöhen müssen, aber es ist ja kein Ende abzusehen“, erklärte Inhaber Oliver Schieke jüngst gegenüber der MZ. „Das können die Kunden doch gar nicht mehr bezahlen.“ Es gebe mittlerweile eine spürbare Zurückhaltung im Kaufverhalten. Zwar kämen genauso viele Kunden wie noch vor Jahren, doch sie würden weniger kaufen – nämlich nur das Nötigste.
Auch in Köthen schloss ein Traditionsbäcker nach fast 80 Jahren: Die Preisexplosionen bei Energie und Rohstoffen waren für Inhaber Jens Schneider nicht mehr zu verkraften. „Man beobachtet das natürlich, beschäftigt sich mit den Zahlen, stellt sich dann die Frage nach den Gründen und überlegt, wie man damit umgeht“, erklärte Schneider jüngst. In Niedersachsen hatten zahlreiche Bäckereien vor Tagen die Lichter im Betrieb ausgestellt – aus Protest gegen die galoppierenden Energiepreise.
Anzahl der Betriebe seit 2010 rückläufig
Schon vor der aktuellen Energiekrise war die Zahl der Bäckerbetriebe in Sachsen-Anhalt stetig rückläufig. Gab es 2010 noch 404 eingetragene Bäcker im Land, waren es Anfang 2022 nur noch 278 – ein Rückgang von einem Drittel. Die Gründe dafür liegen auch im Personalmangel im Handwerk. Oft fehlen Nachfolger für Bäckermeister, die aus Altersgründen in den Ruhestand gehen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat mittlerweile angekündigt, dass ein neuer Rettungsschirm auch kleine und mittlere Unternehmen stärker unterstützen soll. So sollen Pleiten verhindert werden. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) fordert ausreichende Staatshilfen, die genau das sicherstellen. Wenn stattdessen aber „ganze Wirtschaftsbereiche in die Insolvenz gehen, fehlen die Steuereinnahmen, mit denen unser Sozialsystem finanziert wird“, warnt er.
Die Energieproduktion müsse ausgeweitet werden, um den Bedarf zu decken und Unternehmen am Laufen zu halten. „Sonst gefährden wir den Wirtschaftsstandort Deutschland, vor allem aber das bisher Erreichte im Aufbau Ost“, so Haseloff. Er drängt auf Lösungen der Ministerpräsidenten und Bundesregierung.