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Nach "Kameltreiber"-Rede AfD Poggenburg: Nach "Kameltreiber"-Rede prüft türkische Gemeinde rechtliche Schritte

Von Hagen Eichler 15.02.2018, 15:00
André Poggenburg, Vorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, auf dem politischen Aschermittwoch der sächsischen AfD in Nentmannsdorf.
André Poggenburg, Vorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, auf dem politischen Aschermittwoch der sächsischen AfD in Nentmannsdorf. dpa

Magdeburg - Der Ton bei den Rechtspopulisten wird immer rauer: Jetzt hat ein AfD-Spitzenfunktionär offen Deutschtürken beleidigt. In einer Aschermittwochs-Rede beschimpfte André Poggenburg, AfD-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, die Inhaber einer doppelten Staatsangehörigkeit als „heimat- und vaterlandsloses Gesindel, das wir hier nicht länger haben wollen“.

Die Äußerungen stießen am Donnerstag bundesweit auf scharfe Kritik aus anderen Parteien. Die AfD-Bundesführung beließ es bei einer zurückhaltenden Mahnung.

Poggenburg bezeichnet Deutschtürken als „Kameltreiber“

Bei seiner Rede im ostsächsischen Nentmannsdorf griff Poggenburg die geplante Gründung eines Heimatministeriums auf. Kritik der Türkischen Gemeinde in Deutschland an diesem Begriff wies Poggenburg als „unverschämt“ zurück.

„Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch, für den sie bis heute keine Verantwortung übernehmen. Und die wollen uns irgendetwas über Geschichte und Heimat erzählen? Die spinnen wohl!“

Weiter sagte er: „Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören: weit, weit, weit hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Hier haben die nichts zu suchen und nichts zu melden.“ Hunderte AfD-Anhänger bejubelten diese Rede und skandierten „Abschieben! Abschieben!“.

Rede von André Poggenburg: Die Sätze zu „Kümmelverkäufern“ und „Kameltreibern“ sind ab Minute 25 zu sehen und hören.

Andere Parteien warfen Poggenburg am Donnerstag Hass und Rassismus vor. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte dieser Zeitung, die AfD demaskiere sich selbst.

„Die Äußerungen sind verunglimpfend und beleidigend; sie schüren vorsätzlich Hass in Deutschland.“ SPD-Landeschef und Bundestags-Innenexperte Burkhard Lischka sprach von Hetze, die man nicht kommentieren müsse.

„Aber diesmal kann keiner sagen, er habe es nicht vorher gewusst.“ Der sächsische Linken-Politiker Rico Gebhardt sagte, die AfD nähere sich „mit diesem Exzess an Hetze“ der Sportpalastrede von Joseph Goebbels an.

So reagiert die türkische Gemeinde auf die Rede von Poggenburg

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde, Atila Karabörklü, hatte nach dem Ende der Berliner Koalitionsverhandlungen die Fokussierung auf den Begriff Heimat gerügt.

„Wir befürchten, dass er nicht Zusammenhalt und Zugehörigkeit, sondern Ausgrenzung und Spaltung fördert“, sagte er. Nach Poggenburgs Rede will sich der Verband wehren. Man prüfe rechtliche Schritte, hieß es am Donnerstag.

Poggenburg gilt in der AfD als Vertreter des äußerst rechten Parteiflügels. Der 42-Jährige hat mehrfach mit Anklängen an NS-Rhetorik Aufsehen erregt. Vor einem Jahr bezeichnete er linke Studenten als „Wucherung am deutschen Volkskörper“.

Nicht der erste Eklat für den AfD-Vorsitzenden

Statt sie studieren zu lassen, müssten sie „lieber praktischer Arbeit zugeführt werden“, so Poggenburg damals. Die damalige Parteispitze unter Frauke Petry sprach dafür eine Abmahnung aus, die jedoch keine praktischen Folgen hatte.

Nach Poggenburgs Rede in Sachsen sind parteiinterne Ordnungsmaßnahmen nicht in Sicht. Poggenburgs Wortwahl gehe „deutlich zu weit und hätte nicht vorkommen sollen“, sagte Bundeschef Jörg Meuthen. Inhaltlich stellte er sich jedoch hinter den Landesvorsitzenden.

Wenn sich Verbände in Deutschland gegen ein Ministerium für Heimat aussprächen, das in anderen Ländern selbstverständlich sei, stimme das „sehr bedenklich“, so Meuthen. Poggenburg verteidigte seine Rede am Donnerstag als „zugespitzte Politsatire“. Eine „Beleidigung oder Herabsetzung anderer Nationalitäten“ liege ihm völlig fern.

Keine Distanzierung zu Pegia und der Identitären Bewegung

Sachsen-Anhalts AfD plant derzeit den Schulterschluss mit der islamfeindlichen Pegida-Bewegung. Die offizielle Distanzierung der AfD sei ein „unehrliches Possenspiel“, hatte Poggenburg am Mittwoch verbreiten lassen.

Beim Parteikonvent hat er beantragt, dass künftig auch AfD-Redner auf das Pegida-Podium steigen dürfen. Zugehen will Poggenburg auch auf die rechtsextreme Identäre Bewegung. Gemeinsame Ziele wie „die Remigration illegaler Migranten“ könne er nicht anstößig finden, sagte er.

Unterdessen will sich Sachsen-Anhalts CDU offensiv um Themen und frühere Wähler der AfD kümmern. In einem dieser Zeitung vorliegenden Strategiepapier der Parteispitze heißt es, die CDU dürfe Positionen, die viele Wähler unterstützten, nicht ignorieren oder tabuisieren.

„Wir entziehen uns deshalb auch weiterhin entschieden allen Versuchen, unsere Partei in der notwendigen Auseinandersetzung mit der AfD für einen diffusen ‚Kampf gegen Rechts‘“ zu vereinnahmen“, heißt es in dem gemeinsamen Text von CDU-Landeschef Thomas Webel und Landes-Generalsekretär Sven Schulze. Die CDU sei auch offen für frühere AfD-Abgeordnete, sofern sich diese von ihrer bisherigen politischen Heimat distanzierten. (mz)