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Debatte über neues Ressort Debatte über neues Ressort: Worum kümmert sich eigentlich das Heimatministerium?

Von Markus Decker 09.02.2018, 15:27
Wird im Falle einer neuen GroKo Innen- Heimat-, und Bauminister: Horst Seehofer (CSU).
Wird im Falle einer neuen GroKo Innen- Heimat-, und Bauminister: Horst Seehofer (CSU). dpa

Berlin - Immerhin eines stellte Horst Seehofer schon mal klar. Es gehe im neuen Heimatministerium um weit mehr als „Dirndl, Lederhose, Folklore“, sagte der CSU-Vorsitzende. Im Übrigen sei Heimat „eine ganz wichtige Bezugsgröße“. Es gehe um Wurzeln und um Daseinsvorsorge.

Eigentlich wollte der 68-Jährige ja etwas anderes werden: Bundesfinanzminister nämlich oder Bundesminister für Arbeit und Soziales. Ersteres hätte ihm mehr Macht verliehen. Im zweiten Ressort kennt sich der langjährige Sozialpolitiker bestens aus. Weil sich aber die SPD beide Ressorts sicherte, bekommt er nun das Innenministerium – ergänzt um den Bereich Bauen und den Titel Heimat. Auch wenn es Heimatministerien in Bayern und Nordrhein-Westfalen bereits gibt: Der Plan sorgt für kontroverse Debatten.

Linke und Migranten wegen „Heimatbegriff“ besorgt

Zum einen dreht es sich ums Prinzipielle. Denn vor allem auf der politischen Linken ist der Heimatbegriff umstritten, er gilt manchen als konservativ, ja reaktionär. Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg etwa wollten beim jüngsten Parteitag in Hannover einen Antrag einbringen mit dem Ziel, die Vokabel „Heimat“ aus einem Papier zu streichen – und zogen diesen Antrag erst kurzfristig zurück.

Besorgnisse bestehen überdies bei Migranten. „Die Fokussierung auf den Heimat-Begriff setzt den falschen Akzent zur falschen Zeit“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, dieser Zeitung. „Denn der Begriff Heimat beschreibt einen – von Mensch zu Mensch unterschiedlichen – Erfahrungs- und Gefühlsraum. Ihn auf den politischen Kontext zu übertragen, halten wir nicht nur aufgrund der deutschen Vergangenheit für problematisch.“ Sofuoglu fügte hinzu: „Wir befürchten, dass er nicht Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit, sondern Ausgrenzung und Spaltung fördert.“ Nötig sei stattdessen ein inklusives Verständnis unserer pluralistischen Gesellschaft – mit dem Grundgesetz als gemeinsamer Wertebasis für ein friedliches Zusammenleben. Die nordrhein-westfälische Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) versucht, diese Bedenken zu zerstreuen. „Heimat grenzt nicht aus, sondern schließt ein und ist etwas Verbindendes“, erklärte sie auf Anfrage. „Heimat ist für alle – auch für Zugewanderte – da und richtet sich nicht gegen irgendwen.“

Entwicklung von Dörfern und Städten

Zum anderen stellen sich praktische Fragen. Aus dem Ministerium verlautet, Noch-Amtsinhaber Thomas de Maizière (CDU) habe sogar einen Teil der Kompetenzen loswerden wollen, weil ihm das Feld zu unübersichtlich geworden sei. Neben den großen Blöcken Migration und Sicherheit ist das Haus ja noch zuständig für jede Menge andere Themen: von Datenschutz, Demografie und Integration über E-Government, Cybersicherheit, Katastrophenschutz und öffentlichen Dienst bis zu Sport und Religion. Sogar Protokollaufgaben für die Regierung gehören dazu. Nun gibt es nicht weniger Kompetenzen, sondern mehr. Die Abteilung Heimat dürfte sich um die Entwicklung ländlicher Räume kümmern. Seehofer sagt, Ziel seien gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland und die Entwicklung von Dörfern und Städten. Tja, und die Zuständigkeit für das Bauen, derzeit noch im Umweltministerium angesiedelt, füllte früher mal ein ganzes Ministerium aus. Dabei reicht der Platz im Bundesinnenministerium schon für die bisherige Belegschaft nicht aus.

Leute, die das Ministerium von innen kennen, staunen, was da künftig geleistet werden soll. „Mein lieber Mann!“, sagt einer. Doch der Seehofer könne das stemmen. Der alte Kämpe sei schließlich weniger ein Beamter als de Maizière, sondern vielmehr ein Politiker, der die großen Linien ziehe und alles andere dem Apparat überlasse.

Eine Sorge bleibt bei den Parteien links der Mitte indes auf jeden Fall: dass die CSU das Mega-Ministerium im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl im Herbst vor allem als „AfD-Abwehrministerium“ nutzen könnte. So sagt die Linke-Innenexpertin Ulla Jelpke mit Blick auf die Flüchtlingspolitik, sie befürchte „noch mehr Entrechtung, noch mehr Abschreckung und mehr Abschiebewillkür als ohnehin schon“. Und: „Der Ton wird schärfer werden.“