Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Rätsel um das Schiff auf der Himmelsscheibe

Halle/dpa. - Die rund 3600 Jahre alteBronzescheibe mit Goldauflagen zeigt neben Sonne, Mond und Sternenauch ein Schiff. Archäologen der Universität Halle entdeckten jetztbei Grabungen auf einer kleinen Insel vor der türkischen Küste ein3900 Jahre altes Siegel der Minoer mit einer Schiffsabbildung. «Dietypische Bananenform entspricht dem stilisierten Schiff auf derHimmelsscheibe», sagt der Leiter des Institutes für prähistorischeArchäologie der Universität Halle, Francois Bertemes.
Nach seiner These liegt der Ursprung des Schiffssymbols aufder Himmelsscheibe, der ältesten konkreten Himmelsabbildung der Welt,bei dem prähistorischen Volk der Minoer. Bislang sei angenommenworden, dass dieses Schiff seine Wurzeln im alten Ägypten hat, aberdie Schiffe der Ägypter sahen anders aus, sie hatten Ruder, sagtBertemes.
«Die Minoer manövrierten dagegen ihre Schiffe mit Paddeln», sagtGrabungschef Andreas Furtwängler. Auf der Himmelsscheibe seien diesePaddel vereinfacht durch Striche um das Schiffssymbol abgebildet. DieGrabungen werden vom Deutschen Archäologischen Institut (Berlin) unddem Land Sachsen-Anhalt finanziert und laufen bis zum Jahr 2012.
Für den Landesarchäologen Harald Meller ist klar: «Das Schiff istdas Symbol für eine neue religiöse Idee und das astronomische Wissenstammt wahrscheinlich aus dem Vorderen Orient, dem heutigen Gebietvon Libanon, Irak und Türkei.» Zugleich wurde nach Auffassung derArchäologen mit der Verwendung dieser Schiffsform als Symbol auf derHimmelsscheibe bewusst auf die Handelsverbindungen zu den Minoernhingewiesen.
Schiffe waren in der Bronzezeit das wichtigste Transportmittel.Sie beförderten die für die Bronzeherstellung wichtigen RohstoffeKupfer und Zinn. Die bronzezeitlichen Händler der Minoer fuhrenentlang der Mittelmeerküste nach Norditalien. Auf dem Landweg überdie Alpen kamen dann Waren und Wissen auch bis nachMitteldeutschland.
Das längst untergegangene Volk der Minoer hatte seine Blütezeitvor 4000 bis 3600 Jahren. Es war die erste bronzezeitliche HochkulturEuropas, kannte sogar Schriftzeichen und unterhielt auf denMittelmeerinseln zahlreiche Handelsposten. Auf der heute zuGriechenland gehörenden Insel Kreta bauten die Minoer riesigePaläste. Bis heute ist nicht eindeutig, warum die Minoer ihre Palästeverließen und untergingen. Die Wissenschaft geht davon aus,dass ein gewaltiger Vulkanausbruch ihr Ende besiegelte.
Als letzte wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis gilt, dass dieHimmelsscheibe ein kombinierter Sonnen- und Mondkalender ist. DieSonne gab Tag und Jahr vor. Das war für die Landwirtschaft wichtig,und der Mond wurde zur Bestimmung des neuen Monats benötigt. DasSchiff trägt die Sonne nach dem Untergang im Westen über das dunkleWasser wieder in den Osten. Zum Schluss war die Scheibe jedoch nurnoch ein Kultobjekt.
Die Himmelsscheibe wurde 1999 von zwei bereits verurteiltenRaubgräbern bei Nebra (Burgenlandkreis) entdeckt und im Februar 2002bei einer fingierten Verkaufsaktion durch die Polizei in der Schweizzwei Hehlern entrissen.