Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Mittagsschlaf im Zelt

Halle/ddp. - Judith ist eines von 20 Kindern, die inder halleschen Waldkindergruppe «Waldmäuse» betreut werden. Montagbis Freitag um 8.00 Uhr ist Treff am Rande der Dölauer Heide, einemWaldgebiet in Halle. Von dort aus ziehen die beiden ErzieherinnenAnne Laube und Karola Kelz mit den Kindern los. Im Sommer wie imWinter - bei jedem Wetter. Bis mittags ist die Gruppe an der frischenLuft. Im Sommer wird dienstags und donnerstags draußen im ZeltMittagsschlaf gehalten.
Sechs Waldkindergruppen und zwei Waldkindergärten gibt es inSachsen-Anhalt. In Deutschland sind es inzwischen nach Angaben desBundesverbandes Waldkindergärten mehr als 700 Initiativen dieser Art.Das Konzept: Die Kinder sollen wenig mit vorgefertigtem Spielzeugspielen und sich stattdessen mit dem beschäftigen, was sie in derNatur finden. Im Wald sollen die Kinder der Reizüberflutung durchFernsehen und Computer entkommen, ihre Abwehrkräfte steigern und ihremotorischen Fähigkeiten verbessern.
In Halle ist dieser Gedanke vor zehn Jahren angekommen. 1999gründete sich eine Elterninitiative zur Einrichtung einesWaldkindergartens. Ein Jahr später gab es die «Waldmäuse» bereits.
Der Kindergartentag beginnt mit dem Morgenkreis. Nach demgemeinsamen Frühstück können die Kinder spielen. Einige Kinder tobenlos, um den Wald zu erkunden. Andere wollen lieber handwerklicharbeiten. Klara möchte mit der Strickgabel einen Faden spinnen undbekommt auf einer Decke Gesellschaft von Betti. Die hat sichentschieden, einen Stock mit dem Taschenmesser zu bearbeiten.
Toben, Geschicklichkeitsübungen und Naturerkundung: Auch imWaldkindergarten ist inzwischen die Diskussion angekommen, wieKleinkinder am besten auf die Schule vorbereitet werden und wie vielBildung ein Kindergarten vermitteln muss. Als Laube 2001 alsErzieherin in die Waldkindergruppe der halleschen Kindertagestätte«Seepferdchen» kam, hatte sie zunächst auch Zweifel. «Mein ersterGedanke war: So eine schöne Kindheit und dann Stillsitzen in derSchule», sagt die 44-Jährige. «Die Umstellung wird nicht einfach»,fügt Claudia Frahm hinzu, deren sechsjähriger Sohn Jan-Martin diesesJahr in die erste Klasse kommen wird.
Jan-Martin habe aber auch im Wald alles gelernt, womit andereKindergartenkinder auf die Schule vorbereitet werden. «Zählen kannman mit Ästen und Tannenzapfen», sagt sie. Ab vier Jahren hat er mit«Frida the Frog» von den Erzieherinnen der Waldgruppe Englischgelernt. Die Kinder seien weniger erkältet und körperlich sehr fit,ergänzt Laura Cugat Schoch, deren Sohn Vincent in dieWaldkindergruppe geht. «Es ist auffällig, wie gut die Kinder ihreFähigkeiten beim Klettern und Toben einschätzen könnten. Unfällewerden dadurch vermieden», sagt sie.
«Die Kinder in den Waldkindergärten verpassen nichts», betontBildungssoziologin Ursula Rabe-Kleberg. DieErziehungswissenschaftlerin an der Universität Halle lobt dieEntwicklungsmöglichkeiten in den Waldkindergärten. «Die Natur ist einvielfältiger Bildungsort, der alle Bildungsebenen anspricht,kognitiv, ethisch und emotional», sagt Rabe-Kleberg. Wichtig seijedoch eine gute Ausbildung der Erzieherinnen. «Sie müssen vielwissen, viel Fantasie entwickeln und robust sein», sagt sie.
Erzieherin Laube wünscht sich trotz der guten Erfahrungensystematische Erhebungen zur schulischen Entwicklung von Kindern, dieeinen Waldkindergarten besucht haben. «Der Bildungsanspruch anKindergärten ist gewachsen. Es wäre gut, wenn wir Belege vorweisenkönnten, dass diese Bildung auch im Waldkindergarten stattfindet»,sagt Laube.