Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Kauflust oder Händlerfrust?
Halle/MZ. - Kaufhof Halle: "Wir werden sicher nicht jeden Tag rund um die Uhr öffnen", sagt Halles Kaufhof-Filialleiter Guido Herrmann. Dazu sei der Standort zu klein. "Kosten und Nutzen werden wir genau analysieren. Das muss sich rechnen. Zur Fußball-WM waren wir aber mit der Öffnungszeit bis 23 Uhr nicht unzufrieden", so Herrmann. In seiner Funktion als Vorsitzender der Citygemeinschaft begrüßt er die Freigabe. "Es ist absurd, wenn Geschäfte im Bahnhof bis 22 Uhr geöffnet bleiben können, ein Laden auf dem Bahnhofsvorplatz aber 20 Uhr schließen muss."
Boutique Lacoste, Halle: Völlig ausreichend findet Willi Tostmann, Geschäftsführer der Boutique in der Großen Ulrichstraße, die derzeitigen Öffnungszeiten. "In dem Fall gebe ich den Gewerkschaften Recht: Die Freigabe des Ladenschlusses ist Unsinn." Angesichts der schwachen Kaufkraft werde der Umsatz nur auf mehr Stunden verlagert. "Das Personal müsste länger arbeiten, und ich könnte kaum mehr zahlen", so Tostmann. Auch in seinem Umfeld beobachte er im Vergleich zu 2005 sinkende Umsätze. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kleinen sich das leisten können und hoffe, dass dann auch die Großen in der Innenstadt zu alten Öffnungszeiten zurückkehren."
Rathauscenter Dessau: "Wir werden die Chance nutzen, uns von Wettbewerbern abzuheben. Am liebsten noch im Dezember", sagt Rathauscenter-Managerin Daniela Röske. Der vor Jahren noch skeptisch beäugte lange Samstag sei nicht mehr wegzudenken. Auch der Kundenansturm zwischen 16 und 20 Uhr stimmt Röske optimistisch, dass eine weitere Verlagerung genutzt wird. Vorstellbar sei eine Verlängerung bis 22 Uhr generell oder in einem Teil der Woche. "Und man könnte Shopping-Nächte veranstalten", so Röske. Welche Auswirkungen das auf die 850 Mitarbeiter in 83 Geschäften hat, bleibe abzuwarten. Fest steht für die Managerin: "Alle oder keiner, wenn nur ein Teil länger offen hat, versteht der Kunde das nicht."
Lebensmittelgeschäft Schleenvoigt, Tilleda: Für Jörg Schleenvoigt, Inhaber des Lebensmittel-Marktes im 800-Seelen-Dorf Tilleda (Kreis Sangerhausen), ist die Sache klar: "Ich ändere die Öffnungszeiten auf keinen Fall." Bis 18 Uhr ist sein Laden in der Woche geöffnet. "Ab 16.30 Uhr passiert hier nichts mehr." Auch die drei Stunden am Samstag werden maximal für Brot, Brötchen oder vergessene Einkäufe genutzt. "Die meisten, die noch auf dem Dorf kaufen, sind doch Rentner", weiß der Händler. Dass sie Zusatzangebote nutzen, hält er für ausgeschlossen. Deshalb würden längere Öffnungszeiten für den 55-Jährigen, der sein Geschäft fast allein führt, nur eines bedeuten: "zusätzliche Zeit, die man sich ans Bein bindet". Schon jetzt sei ein Überleben nur dank integrierter Postagentur und Party-Service möglich.
Kaufhaus Müller, Köthen: Mitten in Köthens Innenstadt, umgeben von Läden, die meist um 18 Uhr, samstags um 12 Uhr schließen: "Danach tut sich hier nicht mehr viel", weiß Ingeborg Krause, Filialleiterin des je eine Stunde länger geöffneten Müller-Kaufhauses. Die Entscheidung werde letztlich in der Zentrale der Kette getroffen. Dass einige Kunden mehr zu den "Großen" abwandern, könne sein. "Aber was bringt es, wenn längere Öffnungszeiten Kosten verursachen und nichts rauskommt?"
Einkaufszentrum "Schöne Aussicht", Leißling: Die "Großen", das sind auch Einkaufszentren auf der Grünen Wiese wie die "Schöne Aussicht" in Leißling (Kreis Weißenfels). "Wir werden handeln, wenn andere uns das Wasser abgraben. Aber noch sehen wir keinen Bedarf" sagt Managerin Andrea Clahr. Generell längere Öffnungszeiten würden sich aufgrund der Lage im ländlichen Raum nicht rentieren, glauben die Händler der 60 Läden. "Das kann man nicht mit anderen Zentren vergleichen" so Clahr. Dennoch wird auch hier eine Lockerung begrüßt - für saisonale Aktionen - in der Vorweihnachszeit etwa - oder ein Mitternachts-Shopping.