Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Der Wels im Karpfenteich
HALLE/MZ. - Am 24. Juli ging dem 45-Jährigen aber endlich ein Prachtexemplar an den Haken: ein Wels von 1,53 Meter Länge und mit einem Gewicht von 23,5 Kilogramm. Eckerts persönlicher Rekordfisch zählt zu einer ganzen Reihe kapitaler Welsfänge, die in jüngster Zeit von der Saale und anderen Flüssen Mitteldeutschlands gemeldet wurden.
Die Raubfischart hat sich in den letzten Jahren in fließenden, aber auch in stehenden Gewässern rasant vermehrt. Und zwar so sehr, dass inzwischen Stimmen laut werden, die fordern, den Bestand gezielt zu dezimieren. Denn der Wels gilt als Räuber mit sehr großem Appetit (siehe "Der Rekord liegt bei zweieinhalb Metern ..."). Vor allem in kleineren stehenden Gewässern kann er die Bestände anderer Fischarten ernsthaft gefährden.
Jürgen Walther, Vorsitzender des Anglervereins Gräfenhainichen, und seine Amtskollegen anderer Vereine im Landkreis Wittenberg können davon ein Lied singen. In die beiden kleinen Teichen an der Vehsenmühle und an der Birnbaummühle, die von Walthers Verein bewirtschaftet werden, hatten irgendwann vorwitzige Angler Welse aus der Mulde oder der Elbe eingesetzt. Die Folge: Die Räuber mit ihrem typischen breiten Maul dezimierten die Bestände von Plötzen, Rotfedern und anderen Fischarten. Jetzt hofft Walther, erst einmal Ruhe vor Fischverlusten zu haben. "Nach vielen erfolglosen Versuchen ist aus jedem der Teiche ein Wels um die 1,50 Meter gefangen worden", berichtet er.
In einigen Teichen oder Seen in der Nähe bleibt das Wels-Problem indes bestehen. So berichtet Walther von einem Gewässer bei Pratau, in dem Welse den Neubesatz mit kleinen Karpfen in kurzer Zeit aufgefressen hätten. Auch im Mühlenteich Radis wird ein Schwund bei den Karpfen mit einem von Anglern eingesetzten Wels in Verbindung gebracht. Und auf dem Tagebaurestloch "Barbara" sollen sich Ente & Co. rar gemacht haben. "Die sind alle fort", schildert Walther. Hintergrund: Auf der Speisekarte des Welses stehen neben Fischen aller Art auch Wasservögel und kleine Säuger.
Dass sich der Welsbestand in Mitteldeutschland so gut entwickelt hat, kommt nicht von ungefähr. Mitte der 90er Jahre sind die Elbe, die Saale und andere Flüsse Sachsen-Anhalts im Rahmen eines Wiederansiedlungsprogramms des Landes mit Welsen besetzt worden. Zu DDR-Zeiten war die Art wegen der schlechten Wasserqualität selten geworden. Doch während Angler inzwischen verbreitet von einer Wels-Plage sprechen - größere Exemplare der Welse haben keine natürlichen Feinde mehr - sieht Bernd Manneck vom Landesanglerverband das anders. "Der Bestand des Welses in der Saale und den anderen Flüssen ist naturnah. Es kann örtlich eine besonders starke Vermehrung geben, aber das pegelt sich wieder ein." Zum Problem werde der Raubfisch aber, wenn Welse in Teichen und kleinen Seen ausgesetzt werden. "Die Gewässer sind nicht für diese Fischart geeignet", so Manneck.
Nicht gut zu sprechen ist Gewässerwirtschafts-Experte Manneck zudem auf "Foto-Angler", also auf Petrijünger, die gezielt großen Welsen nachstellen, diese nach dem Fangen aber wieder frei lassen. "Der natürliche Ertrag eines bewirtschafteten Gewässers wie die Saale muss auch abgeschöpft werden", kritisiert Manneck.
Wie groß ein Wels sein muss, damit ihn Angler mitnehmen können, ist gesetzlich geregelt. In Sachsen-Anhalt müssen die Fische mindestens 70 Zentimeter lang sein. Zwischen dem 15. Februar und dem 30. Juni ist die Art geschützt, damit die Tiere in Ruhe laichen können. Peter Eschke, Gewässerwart des Bitterfelder Anglervereins, plädiert dafür, Mindestmaß und Schonzeit zumindest zeitweise aufzuheben. "Bei dem Besatzprogramm in den 90er Jahren hatte niemand damit gerechnet, dass sich der Wels explosionsartig vermehren wird", sagt Eschke, der unter anderem für den Muldestausee bei Bitterfeld zuständig ist. "Dort werden fast täglich ein bis zwei Welse über einen Meter Länge gefangen", sagt er. Der See sei bereits ein Mekka für die Wels-Spezialisten unter den Anglern geworden. Der bisher größte am Stausee gefangene Wels sei 1,80 Meter lang gewesen.
Doch zur Aufhebung von Schonzeit und Mindestmaß beim Welsfang wird es vorerst nicht kommen. "Wir denken derzeit nicht daran", sagt Detlef Thiel, Sprecher des Magdeburger Umweltministeriums. Dafür sehe man keinen Grund. In Kleingewässern könne der Wels aber tatsächlich Schaden anrichten, räumt Thiel ein. In solchen Einzelfällen könne auf Antrag beim Landesverwaltungsamt von den Schutz-Bestimmungen abgewichen werden. "Aber die Elbe und die Saale", so Thiel, "wird der Wels nicht leerfressen."