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Wein von der Halde, Superalgen Wein von der Halde, Superalgen: So smart ist der Saalekreis

Von Michael Bertram 07.10.2017, 08:00
Im Pilotanlagenzentrum des Fraunhofer-Instituts in Schkopau werden spezielle Kunststofffasern gefertigt. Mit deren Hilfe sollen beispielsweise Autobauteile deutlich leichter werden.
Im Pilotanlagenzentrum des Fraunhofer-Instituts in Schkopau werden spezielle Kunststofffasern gefertigt. Mit deren Hilfe sollen beispielsweise Autobauteile deutlich leichter werden. Peter Wölk

Schkopau/Leuna - Gravitationswellen, Innere Uhr und Kryo-Mikroskopie. Für ihre herausragenden Pionierarbeiten haben Naturwissenschaftler aus der ganzen Welt in dieser Woche Nobelpreise zugesprochen bekommen. Doch auch im Saalekreis gibt es zahlreiche Forschungseinrichtungen und noch viel mehr Projekte, die hochinteressante Ergebnisse zutage fördern sollen. Die MZ liefert nur eine kleine Auswahl.

Autoteile der Zukunft

Im Pilotanlagenzentrum des Fraunhofer-Instituts in Schkopau tüfteln die Forscher an den Autos der Zukunft. Besser gesagt daran, wie deren Bauteile so leicht gemacht werden können, dass die Autos möglichst wenig wiegen. Durch die Gewichtsreduzierung können schädliche CO2 -Emissionen eingespart werden, soweit die Idee. Konkret angegangen wird das Problem mit Kunststofffasern.

An Stellen, wo für gewöhnlich Verstärkungen aus Aluminium oder Stahl befestigt sind, sollen künftig schwarze Platten montiert werden. Im Nanobereich wurden hier Fasern so sortiert, dass sie dem Bauteil höchste Stabilität verleihen. Durch das Verfahren kann bei einzelnen Teilen nachweislich die Hälfte an Gewicht gespart werden. Bis 2018 wird das Pilotanlagenzentrum für 15 Millionen Euro ausgebaut. Die Zahl der Mitarbeiter soll von 31 auf 50 steigen.

Wein von der Halde

Von der lebensfeindlichen Halde zum geachteten Weingut: Was die Winzerfamilie Reifert in Klobikau am Geiseltalsee geschafft hat, haben viele Experten zu Beginn kaum für möglich gehalten. Inzwischen ist der Weinberg zudem auch Forschungsprojekt. Die Hochschule Merseburg studiert dort seit 2013, wie die Qualität des Bodens so verbessert werden kann, dass er optimal für den Weinbau geeignet ist.

Mehrmals im Jahr wuseln Studenten auf dem Hang umher, um Bodenproben zu entnehmen. Im Labor wird dann die Zusammensetzung analysiert. Krankt das Erdreich an irgendeiner Stelle, erhalten die Winzer ein Rezept. Je nachdem ob Bor, Magnesium oder Phosphate fehlen, können diese organischen Stoffe genau in der richtigen Dosis zugesetzt werden. Zudem werden in Klobikau auch pilzresistente Sorten getestet.

Super-Alge aus Leuna

Die Mikroalgenforschung wird seit geraumer Zeit in Leuna vorangetrieben. In Versuchsanlagen des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse werden dazu verschiedene Sorten herangezüchtet. Ziel ist es, Biofarbstoffe und Eiweiße aus Mikroalgenbiomasse industriell herstellen zu können. Die Substanzen könnten unter anderem zum Färben von Gummibärchen verwendet werden.

Die Algenmasse wird in Leuna unter veränderter Zufuhr sowohl von Sonnenlicht und Kohlendioxid als auch von organischen Nährstoffen gewonnen. Die daraus resultierenden Produkte sollen die steigende Nachfrage aus der Pharma-, Nahrungs- und Futtermittelindustrie nach ökologischen Alternativen decken. Das Projekt, eine Kooperation mit der Hochschule Anhalt und dem Max-Planck-Institut in Magdeburg, wird mit 1,2 Millionen Euro von der EU gefördert.

Kleine Welten

Welche Auswirkungen der Klimawandel auf verschiedene Pflanzen und Lebewesen hat, wird seit Mai dieses Jahres in einer Versuchsanlage des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Bad Lauchstädt überprüft. In 24 gläsernen Vitrinen, je 1,55 Meter lang und breit, werden 24 verschiedene Ökosysteme simuliert und protokolliert, wie sich die Änderungen des Klimas auf das Leben darin auswirken.

Auch die Wechselwirkung von Arten oberhalb und im Boden sollen untersucht werden. 48 Kameras beobachten das Pflanzenwachstum und Verhalten der Tiere. Alle Daten laufen in einem leistungsstarken Rechner ein, aus dem die Forscher rund um die Uhr Daten ziehen können. Auf dem Areal des Instituts wird seit 2013 in einem Freilandexperiment zudem untersucht, welche Folgen der Klimawandel für die Landnutzung hat.

Vlies zur Knochenreparatur

Forscher der Hochschule Merseburg haben sich 2015 daran gemacht, Material zu entwickeln, das beim Wiederaufbau defekter Bandscheiben, von Gelenkknorpel oder von Knochen helfen kann. Ausgangsbasis sind Vliesstoffe, die in der Medizin eingesetzt werden, um neue Zellen anzusiedeln und so den Wiederaufbau voranzutreiben. Das Material muss sich der Laie als eine Art Gerüst vorstellen, das auf die zu behandelnde Stelle gesetzt wird.

Abhängig von seiner Oberflächenbeschaffenheit siedeln sich darauf mehr oder weniger gut neue Zellen an und stärken das beschädigte Gewebe. Bislang werden die Vliesstoffe vor allem bei oberflächlichen Verletzungen der Haut angewendet. Ziel ist es, mit Hilfe von Lasern das Material so zu bearbeiten, dass es eben auch zum Wiederaufbau geschädigter Knorpel oder Bandscheiben dienen kann.

Hirsch im Visier

Ausgerechnet ein Hirsch aus dem Ziegelrodaer Forst diente Wissenschaftlern des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts in Eberswalde (Brandenburg) als Forschungsobjekt. Das Tier wurde zwei Jahre lang mit einem Telemetrie-Sender ausgestattet, der Rückschlüsse auf das Verhalten vom „Helmut“ getauften Hirsch geben sollte. Wie eine erste Auswertung zeigte, war das Tier eher heimatverbunden, hielt sich meist im Bereich Ziegelrodaer Forst auf. Im Winter traute sich „Helmut“ nur in der Dunkelheit auf Freiflächen. Ab April war er auch tagsüber häufiger außerhalb des Waldes. Im Sommer verlegte er sein Quartier ganz auf Felder.

Kathrin Schaper-Thoma vomokMerseburger Innovations- und Technologiezentrum (Mitz) lobt das enorme Innovationspotenzial, das im Saalekreis steckt. „Das liegt auch an der Hochschule mit angewandter Forschung, die viele Projekte ermöglicht“, sagt die Mitz-Geschäftsführerin. Hinzu komme der noch relativ junge Gründerservice, der vielen Unternehmungen auf die Sprünge helfe. „Vor allem im IT-Bereich verzeichnen wir jede Menge Innovationen“, erklärte Schaper-Thoma weiter. (mz)