Vom Privatmann bis zum Bordellbetreiber Vom Privatmann bis zum Bordellbetreiber: Fahnder sind Steuersündern auf der Spur

Merseburg/Halle (Saale) - „Es ist ein Irrtum, nichts zu glauben, aber ein Fehler, alles zu glauben“, lautet ein Sinnspruch auf einem Wandkalender in Christof Leis’ Büro. Ziemlich treffend beschreibt er die Arbeit des Leiters der Steuerfahndung für den gesamten Süden Sachsen-Anhalts - bloß nicht alles für bare Münze nehmen, was in der Steuererklärung von so manchem behauptet wird. Denn wenn es darum geht, Geld am Fiskus vorbeizuschleusen zeigen viele Menschen eine Menge Kreativität.
Durchschnittlich 1.200 Fälle bearbeiten Leis und sein 70-köpfiges Team im Finanzamt Halle jedes Jahr. Die mit den Ermittlungen betrauten Fahndungs- und die sich um die Verfolgung kümmernde Strafsachenabteilung sitzen unter einem Dach, arbeiten Hand in Hand. „Das sehr komplexe Steuerrecht ist der Grund dafür, eine eigene Strafverfolgungsbehörde neben der Staatsanwaltschaft vorzuhalten“, sagt Leis. „Bei einem Steuerschaden im sechsstelligen Bereich oder Verdacht auf weitere Straftaten geben wir Fälle aber an die Staatsanwaltschaft ab.“
Hoher Ermittlungsaufwand bei der Steuerfahndung
Die Arbeit der Steuerfahndung ist sehr komplex und bedeutet viel Aufwand. Nicht ohne Grund beträgt die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Falls auch zwei Jahre. Oft müssen kistenweise Akten und Abrechnungen ausgewertet sowie Zeugen und Beschuldigte vernommen werden. Hinweise erhalten die Beamten von den lokalen Finanzämtern, wo Auffälligkeiten bekannt werden. Oder auch anonyme Anzeigen und Tipps anderer Behörden dienen als Quellen. Die Vernetzung ist wichtig: „Wer Steuern hinterzieht, der muss mit Entdeckung rechnen“, sagt Leis.
Dass jedes Jahr gleich mehrere Steuerhinterzieher auffliegen, belegen allein die Zahlen für das Finanzamt Merseburg. Stand Mitte August wurden hier seit Jahresbeginn 160 Strafverfahren eingeleitet, bei 27 davon war die Steuerfahndung eingeschaltet. Das heißt, es wurden beispielsweise Durchsuchungen nötig, um Beweise zu sichern. Seit 2013 sind es für den Merseburger Finanzbereich gar 396 Strafverfahren, die gelistet sind. Drei Viertel davon sind abgeschlossen.
Steuerprüfung: Fast 60,7 Millionen Euro wurden im gesamten Süden des Landes näher unter die Lupe genommen
Die Halbjahresstatistik von Leis’ Behörde zeigt gewaltige Summen, die in diesem Jahr bereits einer Prüfung unterzogen worden sind: Fast 60,7 Millionen Euro wurden im gesamten Süden des Landes näher unter die Lupe genommen. Und wieder waren einige Auffälligkeiten dabei. „Seit Jahresbeginn endeten 29 Verfahren mit einem Strafbefehl“, erklärt Christof Leis. Ein Ertappter wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. 131 Verfahren wurden gegen Geldauflage eingestellt. Rund 294.000 Euro kamen so zusammen, die zumeist an gemeinnützige Einrichtungen flossen.
„Wir haben aber auch regelmäßig Selbstanzeigen“, sagt Leis. 34 seien es im ersten Halbjahr dieses Jahres gewesen. In den vergangenen Jahren hatten auch Daten von sogenannten Steuer-CDs aus der Schweiz dazu geführt, dass sich Steuersünder zu den eigenen Vergehen von sich aus bekannten. „Sachsen-Anhalt hat damals zwar keine CDs selbst gekauft, aber Hinweise auf Fälle erhalten“, so Leis.
Allein im Bereich des Merseburger Finanzamts wurden 16 Fälle mit einem Steuerschaden von mehr als 185.000 Euro ermittelt
Nachdem die Steuerfahndungskollegen aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die dicksten Fische selbst auffliegen lassen haben, blieb für Leis’ Team in einer dritten und vierten Tranche der Datenauswertung dennoch viel Arbeit übrig. Allein im Bereich des Merseburger Finanzamts wurden 16 Fälle mit einem Steuerschaden von mehr als 185.000 Euro ermittelt, hinzu kamen sechs Selbstanzeigen. „Den Tätern ging es oft nicht um die unmittelbare Rendite, sondern um den reinen Verschleierungseffekt, wenn sie Vermögen im Ausland parkten.“
Viele sind aber auch nur dreist, wie die Erfahrung der Ermittler zeigt. Leis’ Stellvertreterin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, berichtet von einem Pärchen, das nebeneinander wohnte. Eine Lebensgemeinschaft hatten sich nicht angemeldet, aber die meiste Zeit doch zusammen in einer Wohnung verbracht. „Dass die Frau den Haushalt auf Vordermann brachte, setzte der Mann als haushaltsnahe Dienstleistung ab“, erinnert sie sich.
Steuerfahndung: Immer wieder sind auch vermeintliche Arbeitszimmer in den eigenen vier Wänden im Visier
Immer wieder sind auch vermeintliche Arbeitszimmer in den eigenen vier Wänden im Visier der Steuerfahndung. „Angeblich sollte das Dachgeschoss in einem Haus für betriebliche Anlässe genutzt werden“, berichtet die Steuerfahnderin. „Wenn man sich dort umschaute, standen aber überall Kartons mit Kinderspielzeug, Weihnachtsdeko und anderen Dingen herum.“
Die Ermittler müssen jedoch auch hart im Nehmen sein. Leis’ Kollegin erinnert sich an Wohnungen, die komplett vermüllt waren. „Ich werde nie vergessen, wie wir ein Haus betraten, in der inmitten von unsortierter Post und ausgebreiteten Unterlagen eine tote Ratte vergammelte und überall Kot lag“, berichtet sie.
„Die Zeiten sind rauer geworden“, sagt Leis. Denn nicht nur Privat- und Firmengebäude werden aufgesucht: Ob Rotlichtmilieu, organisierte Kriminalität aus Osteuropa oder Reichsbürgerszene - zunehmend müssen sich die Fahnder in diese Bereiche begeben, weil dort größere Geldsummen am Fiskus vorbeigeschleust werden. Meist laufen Durchsuchungen mit Polizeischutz. „Auch wir sind darauf vorbereitet“, sagt Leis und greift in den Schrank. Er holt eine schwarze Weste raus. Sie soll gegen Schüsse und Stiche schützen. (mz)
