Kasse machen Kasse machen: MZ-Redakteur macht Praktikum im Supermarkt

Zöschen - Das komme nur zwei Mal im Jahr vor, sagt Freimut Hofmann. Es ist kurz nach halbsieben und die frische Ware für den Tag ist immer noch nicht eingetroffen. Normalerweise ist die schon da, wenn der Tag für den Chef des Nahkaufs in Zöschen beginnt.
Die Lkw-Fahrer, die die Ware vom Rewe-Verteilzentrum bei Nossen, zu dessen Vertriebskette der kleine Supermarkt an der B181 gehört, anliefern, haben einen Schlüssel für die Eingangsschleuse, in der sie Wagen und Paletten abstellen können. Doch jetzt stehen dort nur Kästen und Pfandflaschen, die retour gehen sollen.
„Wir beliefern heute die großen Firmen in Leuna“
Hofmann lässt sich von der Verspätung allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Noch sind es ja auch anderthalb Stunden, bis die Ladentüren öffnen sollen. Mit seinem Sohn geht er durch den Getränkemarkt und prüft Bestellungen. Dann fährt der Spross mit einem Lieferwagen vom Hof. „Er macht Außendienst. Wir beliefern heute die großen Firmen in Leuna“, erklärt der Chef. Man sei ein Familienbetrieb. Auch Frau und Schwiegertochter arbeiten im Laden. Insgesamt habe er 14 Angestellte, fast alle in Vollzeit.
Ein Teil von ihnen ist schon damit beschäftigt die „Trockenwaren“, so nennt Hofmann die Produkte, die weder Tiefkühl- noch Frischware sind, in die Regale zu räumen. Auch an den vermieteten Bäcker- und Fleischerständen laufen schon die Vorbereitungen für den Tag. Dann ist auch endlich Bewegung an der Laderampe hinterm Haus.
„Wir haben 40 bis 50 Tonnen Warenanlieferung pro Woche“
Der Lkw ist da. Hofmann begrüßt den Fahrer, einen Mann mit Basecap, gezwirbeltem Kinnbart und starkem osteuropäischen Akzent. Um zwei sei er losgefahren. Zöschen sei schon der dritte Markt auf seiner Tour, erzählt er, während er die Ware ins Lager rollt. „Wir haben 40 bis 50 Tonnen Warenanlieferung pro Woche“, berichtet der Chef, der mit anpackt.
Das müsse alles per Hand in die Regale verräumt werden. Und das ist bisweilen Schwerstarbeit, merke ich, als wir anfangen, die Wagen für die Obst- und Gemüsetheke zu bestücken und vorerst unbenötigte Neuware in den Kühlraum bringen. Kiste mit Melonen in die Ecke. Kiste mit Kartoffeln auf den Wagen.
Die Obst- und Gemüsetheke ist Hofmanns Stolz
Die Obst- und Gemüsetheke ist Hofmanns Stolz. „Da will ich der Beste sein“, formuliert er seinen Anspruch. Das bedeutet im Klartext aber rigoros ausmisten. „Sortiere das aus, was du selber nicht kaufen würdest!“, lautet die Arbeitsanweisung. Ich prüfe die Weintraubenpackungen, die am Vortag noch nicht verkauft wurden. In einer sind zwei Trauben angebräunt. Raus.
Auch das Körbchen mit einem schon sichtbar weichen Pfirsich fliegt aus dem Sortiment. „Die Qualitätsansprüche der Kunden sind so hoch. Wenn Bananen ein paar braune Reifeflecken haben, dann nehmen die Kunden die nicht mehr.“
„Wir werfen eigentlich viel zu viel weg.“
Der Marktleiter ist sich der Kehrseite durchaus bewusst. „Wir werfen eigentlich viel zu viel weg.“ Er zeigt auf einen Korb, den ich gerade bis zur Statikgrenze mit 500-Gramm-Weintraubenpackungen aus Italien beladen habe. 88 Cent kosten die. Sonderangebot. „Das wird der Wertigkeit der Lebensmittel eigentlich nicht gerecht.“ Doch die Angebote werden von Rewe vorgegeben. Und Deutschland sei nun mal das Land mit der größten Supermarktdichte. Entsprechend groß ist der Preisdruck.
Die Obst- und Gemüseauslage ist derweil fertig bestückt. Eine Mitarbeiterin macht die Endabnahme, während Hofmann mit Bürste und Schwamm noch schnell das Innere des Getränkeautomaten von klebrigen Rückständen befreit. Dann sperrt er die Gitter am Kundeneingang auf, schiebt die mobilen Regale mit der Grillkohle zurecht und prüft die Einkaufswagen vor der Tür, ob nicht wieder Jugendliche ihren Fast-Food-Müll hineingeschmissen haben. Alles okay.
„Wenn wir fertig sind, machen wir auch mal zehn Minuten eher auf“
„Wenn wir fertig sind, machen wir auch mal zehn Minuten eher auf“, erklärt Hofmann, als er sich um 8 Uhr für ein kurzes Frühstück in den Pausenraum setzt. Er macht den Fernseher an. Das Programm ist dasselbe wie jeden Tag: die Überwachungskamera der Kassen. Eine Mitarbeiterin ist zu sehen, die zwischen Supermarktkasse und Postschalter pendelt. Die integrierte Post sei für ihn Frequenzbringer und Kundenservice zugleich, sagt der Chef, bevor er zur Bank fährt.
Ich gehe derweil Elke Will zur Hand. Sie ist gerade dabei, eine Palette voll Wasser und Softdrinks im Getränkemarkt zu verstauen. „Hauptsache du piepst alles ab“, sagt sie zu mir. Sie meint den Warenscanner, der jedes Mal einen erfreuten Piepton von sich gibt, wenn er den Scancode auf den Sixpacks gefunden hat. Auf dem Display erscheint dann die Info, wie viele Packungen desselben Produkts schon gescannt wurden und wie viele es laut Bestellung sein müssten. Drei hier, sechs dort.
„Die Kunden bringen viel durcheinander.“
Bei der Apfelschorle sind es sogar 20. An den jeweiligen Standorten im Getränkemarkt kontrollieren wir die Mindesthaltbarkeitsdaten der alten und der neuen Ware. Ist der Unterschied signifikant, muss der ganze Stapel umgewälzt werden, damit am Ende das mit der geringsten Restmindesthaltbarkeit auch zuerst gekauft wird.
Das gleiche passiert auch bei den einzelverkauften Flaschen. Als wir fertig sind, ziehen wir alles nach vorne an die Regalkante. Es soll ja schön aussehen. Wobei es eigentlich eine Sisyphusarbeit ist: „Die Kunden bringen viel durcheinander. Da muss man alles wieder zurechtrücken, auch damit die Ware beim richtigen Preis steht.“
Die Gemüsecodes kennen die Kassierinnen auswendig
Der ist wichtig, vor allem an der Kasse. Kathy Sommer, eine der Hauptkassiererinnen im Markt, gibt mir die Einweisung. Das Band fährt die Waren automatisch heran. Ich suche den Scancode und ziehe sie über den Scanner. „Das kannst du schneller machen, die Kasse findet den Code in der Regel.“ In der Tat zickt sie nur bei wenigen Waren. Trotz der Beschleunigung wächst die Schlange an der Kasse kontinuierlich.
„Hallo“. Der Kunde hat vier Bierkästen dabei. Also auf dem Display eintippen: Vier. „Menge“. Einscannen. Großen Kasten auswählen. Und ja, bestätigen, der Kunde ist über 16. Weiter Ware einscannen. Ein Gurke. Das ist die 111. Die Gemüsecodes kennen die Kassierinnen auswendig. Beim Rest verlassen sie sich auf die Scancodes. Kein Wunder bei über 12.000 Produkten. Dann ist der Großeinkauf an mir vorbeigezogen. Ich drücke „Summe“. „Bar oder mit Karte?“. Er möchte mir Karte zahlen. Ich drücke das entsprechende Feld. „Möchten Sie den Bon?“ Nein. „Einen schönen Tag noch.“ Und wieder von vorn. Die nächsten Kunden warten schon. „Hallo.“ (mz)


