Jugendanstalt Raßnitz Jugendanstalt Raßnitz: Dem Knast gehen die Lehrlinge aus

Raßnitz - Der leicht brenzlige Geruch von frischen Sägearbeiten liegt in der Luft, helle Holzbretter stapeln sich zwischen den ordentlich aufgeräumten Werkbänken, ein Jugendlicher schiebt auf einem Wagen Nachschub in die Werkstatt. Er und seine drei Kollegen sind die verbliebenen vier Tischler-Azubis in der Jugendanstalt (JA) Raßnitz.
Deren Ausbildungsangebot hatte es zuletzt in die Agenturmeldungen geschafft, weil eine Kleine Landtagsanfrage der Linken ergeben hatte, dass heute nur noch zwei statt einst sechs Berufsausbildungen angeboten werden.
Weniger Bildung für Häftlinge in Raßnitz? - Das sagen die Behörden dazu
Weniger Bildung hinter Gittern also? Ganz so plakativ simpel ist die Entwicklung laut Frank Schulze nicht. Er ist der Raßnitzer Niederlassungsleiter des Landesbetriebs für Beschäftigung und Bildung von Gefangenen (LBBG). „Eine Mischung aus Schulleiter und Arbeitsminister“, wie er selbst beschreibt.
206 der Häftlinge hat er derzeit in Maßnahmen. Und von denen gebe es immerhin noch 21. Die Palette ist breit.
Sie reicht von den Klassen, in denen Häftlinge auf die Prüfungen für Haupt- und Realschulabschluss vorbereitet werden, über das berufsvorbereitende Jahr bis hin zur klassischen Berufsausbildung.
Davon sind in der Tat nur noch zwei übrig: Tischler sowie Bauten- und Objektbeschichter, berichtet Schulze. Früher habe er etwa auch noch Hochbaufacharbeiter oder Anlagenmechaniker im Portfolio gehabt.
Bildungssorgen hinter Gittern: Darum sind in der JA Raßnitz Berufsausbildungen weggefallen
Dass diese Angebote heute nicht mehr bestehen, habe mehrere Ursachen. Einige davon sind bei den Gefangenen selbst zu verorten, wie etwa die Haftdauer. Die Häftlinge müssen schlichtweg lange genug in der JA einsitzen, damit eine Ausbildung auch Sinn hat. Und sie müssen zum richtigen Zeitpunkt einfahren.
Denn die Tischlerausbildung startet nur alle drei Jahre im September, die zum Facharbeiter für Bauten- und Objektbeschichtung, die Teil eins einer klassischen Maler- und Lackiererlehre ist, alle zwei Jahre. Ein Einstieg zwischendrin ist nicht möglich.
Tischlerausbildung in der JA Raßnitz: Von elf Leuten sind noch vier dabei
Schulze exerziert die Problematik am Beispiel der Tischler durch: „Da haben wir vor knapp drei Jahren mit elf Leuten angefangen.“ Vier seien noch dabei, einer habe die Probezeit nicht überstanden, einer habe aufgegeben und ein dritter sei aus disziplinarischen Gründen rausgeflogen. „Die übrigen vier sind schlicht und ergreifend entlassen worden.“ Ob sie ihre Lehre draußen weiterverfolgt haben, weiß Schulze nicht. Sich darum zu kümmern, ist Aufgabe der Sozialarbeiter und vor allem der Jugendlichen selbst.
Deren im Schnitt geringer ausgeprägten Kompetenzen sind ein zweiter Grund. „Wir haben festgestellt, dass die Fähigkeiten der Gefangenen zurückgegangenen sind.“
Kompetenzen wie Konflikt- und Teamfähigkeit oder auch Selbstbewusstsein fehlen häufiger bei Jugendlichen
Schulze redet hier nicht von Schulabschlüssen. „Es heißt nicht, dass die Schüler immer dümmer werden. Das ist falsch und wird von Lehrern seit 100 Jahren behauptet. Sie bringen aber bestimmte Kompetenzen wie Konflikt- und Teamfähigkeit oder auch Selbstbewusstsein nicht mehr mit.“ Deshalb sei die klassische Berufsausbildung auch zunehmend durch niedrigschwelligere Angebote ersetzt worden, in denen der Leistungsdruck geringer ist.
Als Beispiel dafür nennt der Pädagoge die Arbeitstherapie: „Sie soll die Jugendlichen an die Arbeit heranführen und ihnen eine Tagesstruktur vermitteln.“ Die kennen etwa frühere Drogenabhängige oft nicht. Deshalb sollen sie beispielsweise mit Flechtarbeiten wieder Geduld erlernen.
Auch im Knast ist der landesweite Lehrermangel mittlerweile angekommen
Der dritte Grund für die Verkürzung des Ausbildungsangebots hat nichts mit den Häftlingen zu tun, sondern mit den Strukturen: fehlendes Personal: „Seit 2015 sind sechs meiner Mitarbeiter in Rente gegangen.“
In der Folge habe er drei Maßnahmen komplett einstellen müssen, weil Stellen teilweise nicht ersetzt worden seien. So habe etwa die zweite Ausbildungsgruppe zum Bauten- und Objektbeschichter, die jeweils in den versetzten Jahren startete, eingestellt werden müssen.
Und noch ein weiteres Personalproblem kommt hinzu: Die schulische Bildung stemmt die LBBG mit Hilfe von Honorarkräften. Doch die seien immer schwerer zu bekommen, klagt Schulze.
Auch im Knast ist der landesweite Lehrermangel mittlerweile angekommen. Pädagogen finden mittlerweile leicht eine Vollzeitstelle. Der Bildungschef der JA ist besorgt, ob er die Schulangebote künftig überhaupt noch aufrecht erhalten kann. (mz)