Immer mehr Patienten in Notfallambulanzen Immer mehr Patienten in Notfallambulanzen: Ein Arzt beklagt ein echtes Luxusproblem

Querfurt - „Jeder, der Hilfe braucht, für den ist das erst einmal ein Notfall“, zeigt Michael Körner, Chirurg am Carl-von-Basedow-Klinikum und Notarzt im südlichen Saalekreis, zunächst Verständnis für jeden einzelnen Patienten, der - aus welchem Grund auch immer - den Notruf wählt und den Rettungsdienst anfordert. „Es gibt aber oft ein Spannungsverhältnis zwischen der subjektiven Wahrnehmung des Patienten und der objektiven Beurteilung durch einen Arzt“, schiebt er hinterher.
Soll heißen, allzu oft hätte es auch gereicht, mit dem jeweiligen körperlichen Leiden zu einem niedergelassenen Arzt zu gehen. „Oft haben wir beispielsweise Patienten, die sich schon seit Wochen mit Schmerzen plagen, aber nicht zum Arzt gegangen sind“, nennt Körner ein typisches Beispiel.
Rettungsdienste und Notfallambulanzen: Katastrophen vs. Planbarkeit
Mehr als 21.000 Einsätze von Rettungswagen und Notärzten verzeichnete der Saalekreis im vergangenen Jahr - wieder einige hundert mehr als noch ein Jahr zuvor. Und die Tendenz droht weiter zu steigen. Dass der Rettungsdienst immer kommt, wenn man ihn anfordert - 24 Stunden, sieben Tage die Woche - ist zu einem kostspieligen Luxusproblem geworden. „Viele empfinden es als selbstverständlich, dass die Notfallmedizin immer zur Verfügung steht“, meint Körner.
Tatsächlich sorgt ein ausgeklügeltes System dafür, dass rund um die Uhr Hilfe geboten wird, wenn diese benötigt wird. „Bei uns stehen jeden Tag ein Chirurg und ein Internist für eventuelle Notfälle bereit“, erklärt Matthias Krüger, Chefarzt der Klinik für Chirurgie des Carl-von-Basedow-Klinikums in Merseburg. „Das Problem, das wir haben ist, dass man Katastrophenfälle nicht planen kann“, so Krüger.
Unfall A9: Folge war ein Massenanfall von Verletzten, was einen Großeinsatz auslöste
So auch vor einem Monat, als auf der A9 bei Bad Dürrenberg ein Reisebus verunglückte. Die Folge war ein Massenanfall von Verletzten, was einen Großeinsatz auslöste. Nicht nur medizinisches Personal im Kreis wurde zur Versorgung der Unfallopfer innerhalb kürzester Zeit in Dienst versetzt. Auch im Umland sowie in Sachsen und Thüringen nahmen Krankenhäuser Patienten auf. „Als Leitender Notarzt hatte ich mehrere Notärzte zu koordinieren“, blickt Michael Körner, der seit 18 Jahren auf Rettungswagen mitfährt und über 5.000 Einsätze auf dem Buckel hat, zurück.
Noch vor Ort musste er Patienten nach der Schwere ihrer Verletzungen unterscheiden, das sogenannte Triage-System anwenden. Bei diesem werden Patienten mit Farben markiert. „Dieses System führt auch dazu, dass manche Patienten in der Notaufnahme länger warten müssen als andere“, erläutert Körner.
Patienten der Kategorie Rot müssen demnach sofort behandelt werden, bei Patienten der Kategorie Blau dürfen bis zu 120 Minuten vergehen. „Natürlich gibt es Zwischenkontrollen, um zu erkennen, ob sich der Zustand eines zunächst unkritisch eingeschätzten Patienten verschlechtert hat“, erzählt Körner. Auch wird der gefühlte Schmerz auf einer Skala von 0 bis 10 abgefragt. „10 gibt es bei Männern aber nicht, das sind Entbindungsschmerzen der Frau“, sagt Körner. „Es sei denn, es ist vielleicht eine Kolik.“
16.400 Notfälle im Jahr 2018
Das Personal in den beiden Notfallambulanzen in Merseburg und Querfurt hat das ganze Jahr über alle Hände voll zu tun. Allein im vergangenen Jahr wurden 34.637 ambulante Fälle registriert, nur gut 16.384 davon wurden als Notfälle eingestuft. Im Zusammenspiel zwischen beiden Standorten kann das Klinikum die wichtigsten Untersuchungen bieten. Schon in den Rettungswagen, die vor etwas mehr als 100 Jahren noch einfache Pferdekutschen waren, werden Patienten komplett versorgt. „Das sind heute fahrende Intensivstationen.“
Angekommen im Krankenhaus werden die Patienten im Schockraum durchgecheckt. „Von der Hacke bis zum Nacke, sage ich immer“, erzählt Körner und lacht: EKG, Blutbild, Ultraschall, Röntgen, Computertomographie oder Magnetresonanztomographie - mit hohem technischem Aufwand werden die Patienten komplett durchleuchtet. Das alles stets bereitzuhalten, kostet viel Geld. Mehr Geld als die Krankenhäuser erstattet bekommen. „Einem Erlös von 32 Euro stehen Kosten von 126 Euro pro Fall gegenüber“, erklärt Körner.
Die häufigsten Einlieferungsgründe in der Notaufnahme sind mit fast 42 Prozent Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In jedem fünften Fall ist es ein Problem mit dem zentralen Nervensystem. (mz)


