Goethe, Digger! Goethe, Digger!: Angehende Medienpädagogen bringen Schülern das Theater näher

Bad Lauchstädt - Der Dichterfürst hat Verständnisprobleme: „Youtube? Was ist denn das?“, fragt Johann Wolfgang von Goethe, der in Bad Lauchstädt mit seinem Buddy Friedrich Schiller 220 Jahre vorwärts durch die Zeit gestolpert ist, und nun in einem Kiosk in den Kurpark-Arkaden seine Brötchen verdienen muss. Eigentlich wollen die Literaten aber auch in der Gegenwart zu Ruhm gelangen.
Dafür müssen sie diese und ihre Sprache jedoch erstmal verstehen. Als Integrationshelfer stehen ihnen dabei Sechstklässler des Neuen Städtischen Gymnasiums (NSG) zur Seite. Eifrig bringen sie ihnen Jugendwörter, wie „Digger“ (ein Kumpel, Freund, alternativ für „Alter“) oder „nice“ (schön, nett) bei und versuchen ihnen moderne Medien zu erklären.
„Die Kinder sollen einen Zugang zum Theater als Ort und als Konzept finden“
Goethe wird an diesem Montagmorgen von Jakob Ahlke verkörpert. Er ist einer von 18 Studenten der Hochschule Merseburg, die mit den halleschen Schülern eine Theateraktion in Lauchstädt durchführen. Es ist für beide Gruppen ein Lernprojekt. „Die Kinder sollen einen Zugang zum Theater als Ort und als Konzept finden, einen Eindruck bekommen, wie Theater entsteht. Und die Studenten sollen sich den Zugang zur Theaterpädagogik erschließen“, erklärt Ulrich Hellem.
Der Haustheaterpädagoge des Goethe-Theaters hat sich das Konzept für das Projekt gemeinsam mit Hochschuldozentin Skadi Gleß ausgedacht. Die Schüler durchlaufen in Gruppen insgesamt fünf Stationen im Kurpark und im historischen Theater. An diesen etwa 20-minütigen Stationen gäbe es je sowohl einen kleinen Teil, bei dem die Kinder zuhören, als auch einen zum Mitmachen, sagt Hellem, der es auch als seine Aufgabe begreift, das alte Lauchstädter Ensemble aus Kurpark und Theater bei einem jüngeren Publikum beliebt zu machen.
Gleß leitet in Merseburg das „Theater am Campus“
Gleß ergänzt, es sei eine bewusste Entscheidung gewesen von der Bühne runterzugehen: „Die Frage ist, wie kann man theaterpädagogisch arbeiten, fernab der Idee, dass Theater Textvortrag hinter einem roten Vorhang ist. Das Theater hat sich da gewandelt.“
Gleß leitet in Merseburg das „Theater am Campus“, eine Ausbildungsbühne, mit der die Studenten auf eine mögliche spätere Arbeit als Theaterpädagogen vorbereitet werden sollen. Der Studiengang selbst ist allerdings weiter gefasst. „Kultur- und Medienpädagogik“ lautet der Name des Bachelors. Die Studenten, mit denen es nun die Schüler des NSG zu tun haben, sind im zweiten Semester. Sie sollten sich innerhalb des Grobkonzeptes selbst die eigenen Stationen ausdenken und dabei mit dem Ort und seiner Historie arbeiten.
„Ein großer Faktor ist natürlich die Unterhaltung für die Kinder“
Seit April seien sie dafür mehrfach in Bad Lauchstädt gewesen, berichtet Goethe-Mime Ahlke. Mit ihrer Station im Kiosk kombinieren er und seine drei Mitstreiterinnen theater- und medienpädagogische Elemente, wie Schiller-Darstellerin Lisa Behrend ausführt: „Ein großer Faktor ist natürlich die Unterhaltung für die Kinder, aber auch die Beschäftigung mit der Sprache, die Wörter, die sie benutzen, auch mal zu hinterfragen.“ Es soll auch ein Gefühl für die Veränderung von Sprache vermittelt werden, ergänzt Ahlke: „Und sie sollen die Medien, die sie täglich verwenden, erklären.“
Dass das gegenüber einem unbedarften Zuhörer gar nicht so einfach ist, merken sie bei Goethe. Eine Erklärung führt schnell zur nächsten Frage. „Was ist denn Rap?“, will Goethe nach der Youtube-Erörterung wissen. „Ach, sowas wie Sprechgesang“, begreift er. Allerdings können Schiller und er mit dem neuen Wissen nichts anfangen. Plötzlich verschwinden sie, zurück in eine Youtube-freie Zeit. (mz)