Fußball Fußball: Pure Willkür gegen den Nachwuchs
MERSEBURG/MZ. - Auf dem Foto rechts sehen wir neun Kinder. Es sind Fußballer der D-Jugend des FSV Dieskau, aufgenommen am Sonntagmorgen in der Merseburger Rischmühlenhalle. Dort wollte die Mannschaft um die Kreismeisterschaft des Saalekreises spielen. Doch sie durfte nicht. Obwohl offiziell qualifiziert, wurden die Elf- und Zwölfjährigen rausgeworfen. Rausgeworfen von ihrem eigenen Kreisfußball-Verband und dessen Präsidenten Jürgen Schauseil. Es ist eine Posse der besonderen Art, eine Funktionärs-Posse, ausgetragen auf dem Rücken von Kindern.
Das Abenteuer Kreismeisterschaft endet an diesem Sonntag bereits an der Tür zur Halle. Zwei Security-Männer verweigern den Dieskauern den Zutritt. Und wer die Szene beobachtet, dem wird schnell klar: Die Männer sind vorbereitet auf den Fall. Einer verschwindet in der Halle und kehrt nur Sekunden später mit Turnierleiter Jürgen Schauseil zurück. Der verkündet ohne Ausdruck des Bedauerns: "Ihr seid nicht qualifiziert und dürft nicht mitspielen." Die Jungen sinken enttäuscht auf die Stufen der Hallentreppe. Einige haben Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten.
Die Geschichte dieses Sonntagmorgens ist ein Paradebeispiel von Funktionärs-Willkür. Denn tatsächlich sind die Ereignisse im Foyer nur der Endpunkt eines Streits. Qualifiziert hatte sich der FSV Dieskau bei einem Turnier am 19. Dezember. Doch der Jugendausschuss des Kreisverbandes annullierte das Ergebnis und nominierte stattdessen den FSV Bennstedt, weil der auf sportlichem Wege mehr Punkte beim Qualifikationsturnier erspielt hatte. Ein dubioses Vorgehen. Man stelle sich vor, ein Schiedsrichter gibt für ein böses Foul an der Mittellinie einfach mal Elfmeter, weil er einen Freistoß für nicht hart genug hält. Das mag man emotional verstehen. Allein: Mit dem Regelwerk hat das nichts zu tun. Und das sieht nicht nur der FSV Dieskau so.
Der Verein zieht am 27. Dezember vor das Jugend-Sportgericht. Das urteilt am 5. Januar: Dieskau hat Startrecht. Der MZ liegt die vierseitige Urteilsbegründung vor. Sie ist eine schallende Ohrfeige für den Kreisverband. Das Gericht attestiert dem Jugendausschuss Willkür und Kompetenzüberschreitung. Wörtlich: Er war zu seiner Entscheidung "nicht befugt".
Rischmühlenhalle am Sonntagmorgen. Jürgen Schauseil steht im Foyer. Er würdigt die jungen Spieler keines Blickes und baut sich vor deren Trainer Steffen Pfeuffer auf. Seine Freundlichkeit ist gespielt, als er den Dieskauer an beiden Schultern packt und sagt: "Ich habe es doch schon am Telefon erklärt. Ihr seid nicht qualifiziert. Und zu dieser Entscheidung stehe ich." Immerhin: Ehe er ohne ein Wort an die Spieler selbst wieder in der Halle verschwindet, gibt er zu "dass einiges unglücklich gelaufen ist und der Verband über eine andere Form der Entschädigung nachdenkt". Doch wie entschädigt man Kinder, denen man sehenden Auges den Spaß am Sport verdirbt?
Genau das treibt auch den Landesverband um. Präsident Werner Georg ist verärgert über das Verhalten seines Kreisverbandes. "Was hier passiert ist, dient nicht unserem Sport. Dass die uneinheitliche Auslegung von Ausschreibungen auf dem Rücken von Kindern ausgetragen wird, ist schlimm. Da wundert es mich nicht mehr, wenn einige Jungen die Nase voll haben und sich ein anderes Hobby suchen." Zumal eine Lösung des Problems einfach gewesen wäre. Selbst die Verantwortlichen der anderen Endrundenteilnehmer hätten die Dieskauer gern dabei gehabt. "Die Ausschreibungen für die Hallenmeisterschaft lassen soviel Spielraum, dass diese Sache unter den Vereinen hätte geklärt werden können", sagt Silvio Uhlmann, der Präsident des FSV Bennstedt. "Ein Anruf an alle und die Endrunde hätte mit sechs anstatt fünf Mannschaften gespielt werden können. Da hätte sich niemand quer gestellt." Das ganze Szenario im Foyer hat Uhlmann nicht mitbekommen. Er kommt erst kurz nach Turnierbeginn in die Halle. Doch Erklärungen braucht er nicht. Er ist geradezu peinlich berührt von seinem Kreisverband. "Gib bestimmten Leuten ein wenig Macht, und du wirst dich nur noch wundern."
Und das müssen am Sonntag auch die neun Jungs des FSV Dieskau. Denn als die sich längst auf die Rückfahrt eingestellt haben, zeigt sich Jürgen Schauseil doch noch ganz generös - und lässt dem Team über einen Security-Mann die Botschaft ausrichten. Die Jungs dürfen das Turnier kostenlos auf der Tribüne verfolgen. Wenn sie denn dort - Zitat - "bloß keinen Stress machen".