Eine Glocke zieht um Eine Glocke zieht um: Was die Umzugshelfer bei der Aktion entdeckt haben
Mücheln - Nach 100 Jahren erklingen bald wieder zwei Glocken in der Kirche im Müchelner Ortsteil St. Ulrich. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurden in Deutschland die meisten bronzenen Glocken beschlagnahmt. Der Rüstungsindustrie gingen die Rohstoffe aus. So erging es auch den drei Glocken von St. Ulrich. 1921 sponserte der Müchelner Baron von Helldorff zwar eine neue Glocke aus Eisen, die bis heute ihren Dienst tut. Doch mehrere Glocken gleichzeitig waren dort seitdem nie mehr zu hören. Das ändert sich jetzt.
Am Donnerstag zog die Glocke der Kirche in Mücheln-Stöbnitz in das drei Kilometer entfernte Gotteshaus nach St. Ulrich um. „Das war möglich geworden, weil die etwa seit fünf Jahren nicht mehr genutzte Stöbnitzer Kirche aus dem Jahr 1782 jetzt verkauft wird“, sagte Dietrich Hesse vom Gemeindekirchenrat. Aus diesem Anlass seien die nötigen Gelder bewilligt worden.
Doch bevor das Kran-Unternehmen und eine Glockenfachfirma beauftragt werden konnten, sei eine Menge an Vorarbeit nötig gewesen. Die Denkmalbehörde musste zustimmen und überhaupt erstmal erkundet werden, ob beide Glockentöne zusammen harmonieren, erklärte der Müchelner. Das Gutachten kam zu einem positiven Ergebnis. „Das Ganze ist quasi ein Glücksfall für uns“, so Dietrich Hesse. Man habe auch überlegt, ein Glockenfest zu feiern, das aber aus finanziellen Gründen wieder verworfen. Die Kranfirma hätte zweimal bestellt werden müssen.
Die ebenfalls Donnerstag geborgene und geöffnete Hülse aus der 1783 erstmals angebrachten Kirchturmkugel von Stöbnitz enthielt zahlreiche handgeschriebene Vermerke, Dokumente sowie Geldscheine und Münzen. Offensichtlich war sie zuletzt 1929 verschlossen worden.
Sofort wurde geplant, den Inhalt in einer Glasvitrine allen interessierten Müchelnern zum Stadtfest im Sommer öffentlich zu präsentieren.
Als der Kran schließlich Donnerstagmorgen in Stöbnitz ankam, war die 450 Kilo schwere bronzene Glocke bereits abgenommen und in der sogenannten Schall-Luke bereitgestellt worden. So ging alles ganz schnell. Die Glocke schwebte zu Boden, wurde auf einem Hänger abgestellt und war natürlich sofort von etlichen neugierigen Einwohnern umringt. Auch der Müchelner Bürgermeister Andreas Marggraf (parteilos) und Hubert Storch vom Kultur- und Heimatverein ließen sich das seltene Spektakel nicht entgehen. Etliche Kameras klickten und hielten das Ereignis für die Nachwelt fest.
Wie sich beim näheren Betrachten der Glocke dann herausstellte, wurde sie 1924 zum Pfingstfest in Apolda gegossen und mit dem Spruch „Er wende und ende Deutschlands Not“ versehen. Trotz ihrer 94 Jahre ist sie noch in einem guten Zustand. Sie müsste lediglich mal mit Seifenlauge gereinigt werden. Theoretisch könnte man auch ihren Klöppel, der ebenfalls geborgen wurde, wieder benutzen.
Doch die von den Müchelnern beauftragten Experten der Firma Turmuhren & Glockentechnik Wende aus Wendelstein im Burgenlandkreis rieten davon ab. Die früher gängige kugelförmige Klöppelform sei für die Glocken nicht gut, da sie Aufschlagspuren hinterlasse, begründeten sie das. Heute würde man stattdessen regenschirmartige Klöppel verwenden und solch einen auch neu in Auftrag geben. Die Lieferung könne allerdings erfahrungsgemäß bis zu zwölf Wochen dauern. (mz)