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"Die Preise müssen steigen" "Die Preise müssen steigen": Der neue Kreisbauernpräsident erklärt warum

14.01.2021, 06:00
Kühe im Stall.
Kühe im Stall. dpa

Liederstädt - Woher kommt das Schweinefleisch? Wer düngt wie? Was wächst noch in Dürrezeiten? In unseren neuen Serie „Moderne Landwirtschaft“ begleiten wir das Agrarunternehmen Barnstädt und die Agrargenossenschaft Bad Dürrenberg durch das Jahr 2021 und geben Einblicke wie die Arbeit auf Feldern und in Ställen heute funktioniert. Zum Auftakt erklärt der neue Präsident des Kreisbauernverbandes „Saaletal“ Jan-Friedrich Rohlfing, selbst Landwirt in Liederstädt, im Gespräch mit Robert Briest, die Erntesituation 2020 und weshalb er und seine Kollegen mit dem Preisniveau von vor 30 Jahren nicht mehr arbeiten können.

Herr Rohlfing, die Landwirtschaft ist derzeit an Problemen nicht arm: Corona, niedrige Preise, Dürre – welches bereitet Ihnen gerade am meisten Sorgen?
Jan-Friedrich Rohlfing: In Sachsen-Anhalt waren die letzten beiden Jahre von zu wenig Niederschlägen und schlechten Ernten geprägt. Das hat vor allem Folgen für die Versorgungssicherheit, vor allem die Futtermittelbestände für die Rinder waren betroffen. Wir haben immer noch ein Niederschlagsdefizit von 300 Millimetern. Wir hier im westlichen Saalekreis sind noch etwas besser aufgestellt, grundsätzlich fehlt aber auch hier Niederschlag.

Wie hat sich das 2020 auf die Ernteerträge ausgewirkt?
Rohlfing: Wir hatten hier in der Querfurter Ecke eine durchschnittliche Ernte über alle Kulturen hinweg. Es war aber keine Spitzenernte, die es gebraucht hätte, um die beiden schlechten beiden vorherigen auszugleichen. Im Altkreis Merseburg und im Norden des Saalekreises sah es ohnehin schlechter aus. Die hatten auch 2020 unterdurchschnittliche Ernten. Die Niederschlagsverteilung ist sehr kleinteilig.

Gab es Betriebe, die die Dürrejahre und Missernten nicht überstanden haben?
Rohlfing: Landwirtschaftliche Betriebe sterben über eine Generation, nicht sofort. Aber es fehlt ihnen jetzt an Liquidität und dadurch auch Investitionen. Das trifft alle Bereiche, derzeit aber besonders die Schweine- und die Milchproduktion, weil hier die Preise seit Monaten auf Talfahrt sind. Da spielt auch Corona eine Rolle.

Wie niedrig liegen sie denn?
Rohlfing: Unser Kernproblem ist, dass wir seit 30 Jahren mit denselben Produktionspreisen leben müssen. 1990 hat ein Doppelzentner, also 100 Kilo, Weizen 34 DM gekostet, heute sind es 17 Euro. Bei der Milchproduktion ist es sogar schlechter geworden. Das waren es 70 Pfennig je Liter, heute sind es 30 Cent. Beim Schweinefleisch ist es ähnlich. Da bekommen wir beim Schlachthof derzeit nur noch 1,19 Euro je Kilo. Im Einzelhandel haben sich die Preise dagegen - auch geschuldet durch den Wechsel auf Euro - in der Zeit verdoppelt.

Wie haben sich Ihre Produktionskosten in der Zeit entwickelt?
Rohlfing: Sie haben sich verdreifacht. In geringem Maß ist das durch Ertragssteigerungen und Zuchtfortschritte aufgefangen worden. Aber seit zehn Jahren sind wir an einem Punkt angekommen, an dem eine weitere Kostensenkung nicht mehr möglich ist. Man kann aus einem Trecker keinen halben machen.

Welche Lösung sehen Sie?
Rohlfing: Die Preise müssen steigen. Die Landwirtschaft hat die letzten 30 Jahre nicht an der Inflation teilgenommen. Hätten wir auch 1,5 Prozent pro Jahr mehr bekommen, wären die Preise mit der Kostenentwicklung mitgewachsen. Uns würde es schon reichen, wenn unsere Produktpreise seit 1990 um 45 Prozent gestiegen wären. Das heißt: Wenn jeder Bürger pro Tag 0,67 Euro mehr im Supermarkt bezahlen würde, könnten die landwirtschaftlichen Produktionspreise auf einem Niveau landen, mit dem wir ohne staatliche Hilfen davon leben könnten.

Den Preisdruck machen derzeit die großen Einzelhandelskonzerne. Könnten diese nicht einfach ihre Gewinnmarge senken?
Rohlfing: Die machen nur einen Prozent Gewinn. Die leben von der Masse. Wir haben in Deutschland vier Familien, die 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels kontrollieren. Die konkurrieren mittels Preiskampf um Marktanteile. Selbst, wenn sie die Preise anheben, besteht das Problem der vielen Zwischenstationen. Aldi hat im vorletzten Jahr die Milchpreise um fünf Cent angehoben, damit das Geld der Landwirtschaft zugute kommt. Angekommen sind aber nur 0,5 Cent je Liter. Auch beim Schweinefleisch soll jetzt etwas Ähnliches probiert werden, dass der Kilopreis im Laden angehoben wird. Aber es hat noch niemand festgelegt, wie das Geld bei den Erzeugern ankommen soll, ohne dass sich jeder in der Kette, sei es Schlachthof oder Transportunternehmen, ein Stück davon abschneidet.

Würde es helfen, wenn der Kunde statt zum billigsten nur noch zum zweit- oder drittbilligsten Produkt greift?
Rohlfing: Ja. Die Leute sollen nicht mehr Produkte kaufen, aber geringfügig teurere. Und sie müssten dann auch deutsche Butter, deutsche Milch und deutsches Steak kaufen und nicht importierte, damit es uns hilft.

Und eine Regulierung - ein Mindestpreis für Milch oder Fleisch …
Rohlfing: … den wir es nicht geben. Wir leben in einer Demokratie mit offenem Markt. Wir brauchen einfach eine Anerkennung der Herstellungskosten, keinen Preiskampf um Marktanteile, sondern einen Wettbewerb um bessere Produktionsbedingungen. (mz)