Bedrohte Arten Bedrohte Arten: Zwitschert bald kein Vogel mehr im Frühling?

Merseburg - Der Star ist täglicher Gast in vielen Hausgärten. Deshalb mag es den Laien verwundern, dass ausgerechnet er auf der neuen Roten Liste der gefährdeten Brutvogelarten Sachsen-Anhalts steht, die der Naturschutzbund (Nabu) und der Ornithologenverband jetzt herausgegeben haben.
Doch gerade auch dem Star werden dort dramatische Bestandsverluste im Zeitraum zwischen 1990 und 2015 bescheinigt. „Das Problem für sie ist die Erreichbarkeit des Futters“, erklärt Martin Schulze vom Nabu-Regionalverband Merseburg-Querfurt. Früher sei es normal gewesen, sie vor allem in Wäldern anzutreffen. Doch weil die Vögel gemähte Wiesen oder Weideflächen für die Futtersuche brauchen und deren Beweidung und Bewirtschaftung stark abgenommen habe, kämen Stare in Wäldern kaum noch vor.
Problem der zurückgehenden Beweidung
Dieses Problem der zurückgehenden Beweidung bekommen laut Martin Schulze auch andere heimische Vogelarten zu spüren. Der Brachpieper etwa gelte als vom Aussterben bedroht. Unterhalb des Geiseltalsee-Weinberges, wo Winzer Lars Reifert zur Bekämpfung der Bodenerosion Rinder hält, fänden die Vögel einen prima Lebensraum. Der sei aber selten geworden. Deshalb fordert Martin Schulze, offenes Land wie in den Bergbaufolgelandschaften nicht weiter zuwachsen zu lassen, sondern zu erhalten.
Für Pflegemaßnahmen sei zu wenig Geld da, und spezielle Förderprogramme seien nicht langfristig genug ausgerichtet. Hier müsse die Landespolitik dringend etwas ändern. Gleiches gelte für den Schutz des Wachtelkönigs, der aufgrund seiner extremen Seltenheit und sehr lokalen Brutvorkommen in die Rote Liste aufgenommen wurde und unter anderem bei Döllnitz zu finden ist. „Er brütet sehr spät im Jahr. Deshalb können die Flächen, wo er zu Hause ist, erst sehr spät beweidet werden. Doch wenn sie der Landwirt deshalb fast gar nicht nutzen kann, dafür aber keinen finanziellen Ausgleich bekommt, ist das ein Problem“, so der Nabu-Experte. Auch hier sowie was die Konzentration auf Monokulturen wie Mais und Raps betreffe, seien die Landes- und Bundespolitik in der Pflicht, etwas zu ändern.
Moderne Beton-Wohnbebauung mit vielen zugepflasterten Flächen
Es gibt natürlich auch andere Ursachen dafür, dass derzeit insgesamt nur die Hälfte der 202 bewerteten Brutvogelarten als ungefährdet gilt. Moderne Beton-Wohnbebauung mit vielen zugepflasterten Flächen etwa hat zu dramatischen Bestandsverlusten bei der Rauchschwalbe geführt. Dass sich der Waschbär immer mehr ausbreitet, ist andererseits der Grund dafür, dass die einst größte Graureiher-Kolonie im Kollenbeyer Holz mit 400 Paaren völlig verschwunden ist.
Martin Schulze hat auch gute Nachrichten parat. So sind Weißstorch und Kranich von der Roten Liste verschwunden. Die Fachleute vermuten als Grund eine Mischung aus geänderten Vogelzug-Routen mit weniger Gefahren und milden Wintern bei uns mit ausreichendem Nahrungsangebot in Kombination mit Nahrungsumstellung.
Alles in allem warnen die Experten aber: Die Gefahr des „stummen Frühlings“ sei durchaus real. (mz)