1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Rockhaus-Sänger: Rockhaus-Sänger: Flüstern statt Schreien

Rockhaus-Sänger Rockhaus-Sänger: Flüstern statt Schreien

Von Steffen Könau 30.07.2013, 08:48
Mike Kilian "N8wache"
Mike Kilian "N8wache" Killing kilian Rec. Lizenz

Halle/mz - Immer anders hat er mal ein Album genannt, und diesem Motto bleibt Mike Kilian auch bei seinem vierten Alleingang treu. Ein Jahr nach dem letzten Album seiner Band Rockhaus legt der Mann, der einst als schriller Punk angetreten war, die Puhdys vom Thron der DDR-Rockkönige zu vertreiben, mit „N8wache“ ein Werk vor, das sicher kaum einer seiner alten Fans von ihm erwartet hatte.

Denn Kilian, 52 inzwischen, aber bei Rockhaus-Konzerten nach wie vor der straffe, aufgeräumte Entertainer mit der Engelsstimme, versucht es diesmal leiser als laut. Elf Jahre nach seinem Solodebüt, eben jenem „Immer anders“-Album, gibt Kilian sich mit dem Opener „Pech“ die Richtung vor: Statt beißender Selbstironie, gellender E-Gitarren und stampfender Drums wie auf den beiden vorigen Alben „Macht mich reich“ und „Mächtig verdächtig“ wird hier die Akustische gezupft und Kilian singt dazu mit ungewohnt dunkler Stimme.

Das passt, denn hörbar geht es hier um eine Neuerfindung. Alle Ornamente sind fort, beinahe alle Dauerhelfer - wie etwa Halles Gitarrengott Christian „Sorje“ Sorge - mussten draußen bleiben. Abgesehen von Produzent Rainer Oleak, dem Flötisten Volker Schott und dem Geiger Torsten Scholz, die bei der Oleak-Komposition „Lass uns leben“ mitspielen dürfen, ist dies hier ein reines Kilian-Produkt. Der Berliner hat alle Songs komponiert, alle Texte geschrieben und alle Instrumente bedient.

So Solo wie nie

So solo war der Rockhaus-Sänger, Final-Stap-Frontmann und Anführer der Stones-Coverband Starfucker tatsächlich noch nie. Ein Zustand, der ihm zu gefallen scheint, wie er im Titelstück singt, das wie eine Selbstermutigung klingt. „Jag’ deine Ängste mit Mut vom Hof“, heißt es da in Richtung der Geliebten, „lass deiner Verzweiflung keine Luft“. Der Mund ist ganz nahe am Mikrophon, eine zweite Stimme säuselt im Hintergrund und das Flüsterstück wird zur herzzerreißenden Liebeserklärung: „Gäb’ es ein letztes Wort / es würde nach deinem Namen klingen.“

Herz und Schmerz und doch ein kleines Augenzwinkern im Stil der Anfangszeiten von Queen. „Somebody to love“ heißt hier „Qual der Wahl“ und zeigt Kilian, wie er sich im Walzertakt wippend über die Schwierigkeiten beschwert, die ein Mann mit mehreren Frauen haben kann.

Grundton ist Moll, selbst die Dur-Akkorde

Lagerfeuer statt Rock ’n’ Roll der Marke „Mich zu lieben“, dabei bleibt es auch im weiteren Verlauf. Mike Kilian philosophiert, der Grundton ist Moll, selbst die Dur-Akkorde klingen so. „Manchmal muss man lügen / um die Wahrheit zu finden, manchmal muss man biegen / um wieder gerade zu enden“, heißt es in „Licht“, einer Art Fortsetzung des vorjährigen Stückes „Jahr“, das auf dem deftigen Rockhaus-Album „Treibstoff“ einen akustischen Kontrapunkt setzt. Grübel-Rock ohne Anflüge von Sentimentalität, kunstsinnig vielstimmig aus der einen unverwechselbaren Mike-Kilian-Stimme zusammengesetzt, die bei „Licht“ am Ende sogar mal in die Höhen gezwungen wird, in denen der frühere Gitarrero, Wagner-Interpret („Wagnerama“) und Backgroundsänger der Rapperin Sabrina Setlur sich bislang immer am wohlsten fühlte.

Danach aber wird es wieder Flüstern statt Schreien. „Guter Rat ist teuer“ führt ein feines Fingerpicking vor und Kilian spielt den Talking-Blueser, „Abschied“ klingt ein wenig irisch und „Lass es nicht zu“ ist ein sehr persönliches Gebet mit angespitzter Stimme: „Werd’ nicht mehr kämpfen / die Schlacht verlier’n / sei es um jeden Preis.“

Mehr Seelenqual geht nicht, nicht einmal in der Coverversion des Renft-Klassikers „Apfeltraum“. Was bei Cäsar, Monster und Gerulf Pannach eine schmissige Folk-Nummer zum Mittanzen war, schmiedet Kilian zur dunkel geraunten Beschwörung um. Hier aber hebt sich mit Strophe zwei die Kilian-Stimme, glasklar und doch wieder für eine Gänsehaut gut.

Direkt zum Künstler: www.mikekilian.de