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Rechtsstreit Rechtsstreit: Leere im Kinderzimmer

Von Oliver Schlicht 15.02.2007, 15:48

Niederndodeleben/MZ. - Als es am Mittwochum sechs Uhr früh laut an der Tür der kleinenWohnung in Niederndodelebener im Ohrekreisklopfte, versteckten sich die Kinder mit derMutter und weigerten sich, die Tür zu öffnen.Erst nach einer Stunde gelang es der Polizei,sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Polizeibeamte,ein Gerichtsvollzieher, mehrere Frauen vomJugendamt Haldensleben und zwei schweigendeHerren in Zivil - vermutlich holländischeBeamte - standen in der Wohnung. "Dann habensie mir gesagt, wenn ich die Kinder nichtanziehe, nehmen sie sie nackt mit", erzähltdie Mutter.

Eine Frau vom Jugendamt räumte Kinderwäschevom Kleiderständer. Die sechsjährige Kim undder achtjährige Tim wurden angezogen. Beideweinten und suchten immer wieder die Näheihrer Mutter. Einen kleinen Kinderrucksackmit Spielzeug hätten sich die Kinder einpackendürfen, mehr nicht. Dann wurden sie ins Autogebracht und weggefahren. Auch gestern wussteViola Benesch nicht, wo ihre Kinder gebliebensind. Die Adresse ihres Ex-Mannes kennt sienicht. Und sie selbst darf ihren Kindern nichtnach Holland folgen. "Ich bekomme keine Aufenthaltsgenehmigung,weil ich mit der Rechtskräftigkeit des Sorgerechts-Urteilss>in Holland als vorbestraft gelte", erklärtsie schluchzend.

Nach Rechtsnormen betrachtet, lässt sich derFall knapp darstellen. 1998 lernten sich derHolländer Rubens H . und sie in Magdeburgkennen. Er war Gastwirt und Autohändler. 1999Übersiedlung nach Holland, 2000 Heirat, 2002Trennung, 2004 Scheidung. Viola Benesch bliebmit den Kindern in den Niederlanden.

Das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinderwurde beiden zu gleichen s>Teilen zugesprochen.Ab 2005 gewannen die Auseinandersetzungenum die Kinder an Schärfe. Wenn die Kinderbeim Vater zu Besuch waren, kamen sie oftverletzt, krank und verstört zur Mutter zurück,beschreibt Verfahrenspfleger Wolfgang Steindie Situation. Professionelle Helfer in denNiederlanden hätten der Mutter deshalb zurFlucht geraten.

Im Dezember 2005 ging Viola Benesch mit denKindern zurück in ihre deutsche Heimat nachSachsen-Anhalt. "Ich wollte nicht, dass ermeine Kinder wieder bekommt", sagte sie. ImAugust 2006 erhielt der Vater das Sorgerechtüber die Kinder zugesprochen. Er klagte aufKindesentführung und stellte einen Auslieferungsantrag.Die Bundesanwaltschaft entschied, dass dieKinder nach Holland zurückkehren müssen. Dieswurde angefochten. Das zuständige AmtsgerichtNaumburg aber bestätigte das Urteil. Das Oberlandesgerichtlehnte einen Einspruch im November als letzteInstanz ab.

Der Vater von Tim und Kim steht in Deutschlandderzeit mit dem Gesetz in Konflikt - wohlauch deshalb ist er zu Verhandlungen im Streitum das Sorgerecht nie erschienen. So war erim März vorigen Jahres vom Amtsgericht Wolmirstedtgeladen, es ging um das Wohnrecht der Kinderin Deutschland. Im Saal warteten zwei Polizistenmit einem Haftbefehl wegen eines Verkehrsdeliktes.

Doch Strafrecht und der zivilrechtliche Streitum die Kinder haben nichts miteinander zutun. So folgte am Mittwoch der Vollzug derEntscheidung des Naumburger Oberlandesgerichts:die "Rückführung" der beiden Kinder zum holländischenVater.

Der Autor ist Redakteur der Magdeburger Volksstimme.