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Rechtsextremismus Rechtsextremismus: Angst am Geisterschloss

Von MICHAEL FALGOWSKI 25.03.2010, 19:23

KÖNNERN-TREBNITZ/MZ. - "Das können nur die neuen Besitzer sein. Oben am Schloss stehen ja auch zwei Autos mit Berliner Nummernschildern", sagt Andreas Michael Ernst, während er das Sportlerheim in der Nähe aufschließt. Normalerweise gibt er nur zu Fußballspielen Bier aus. Nun stehen auch vor dem Vereinslokal Autos mit ortsfremden Kennzeichen, aus Halle und Bernburg vor allem.

Fremde Autos fallen in dem verschlafenen kleinen Ortsteil von Könnern (Salzlandkreis) auf. Vor allem derzeit - die rund 300 Bewohner sehen ihr Dorf bundesweit in die Medien katapultiert. Grund: Im Februar haben mit Thomas Wulff, er sitzt im Bundesvorstand der NPD, und Axel Schunk zwei bekannte Neonazis das Schloss ersteigert (die MZ berichtete). Zwar gehört ihnen der marode Kasten erst, wenn sie bis zum 29. April das Geld an die Gläubigerbank überwiesen haben. Doch schon jetzt ist die Aufregung groß.

Im Radio wird das Treffen im Vereinsheim unterdessen als Demonstration angekündigt, draußen fährt immer wieder langsam ein Polizeiwagen vorbei.

Derweil sitzen elf Leute im Sportlerheim von Blau Weiß Victoria Trebnitz. Zu dem Treffen eingeladen haben Roman Binder vom "Netzwerk gegen Rechts" und Richard Schmid aus Könnern. "Wir wollen Stimmen sammeln und den Einwohnern Hilfe und Informationen anbieten", so Binder. Man wolle nichts überhelfen. Aber bei Interesse sei man natürlich da. Ein Frühlingsfest im Ort könnte ein Weg sein, sich kennenzulernen, schlägt er vor.

Ein solches Fest könnte eine traurige Party werden. Denn im Vereinsheim erscheint lediglich ein einziger Trebnitzer. Er wolle sich nur informieren, sagt Marcel Naumann. "Die Leute sind sauer über den ganzen großen Rummel. Vor zehn Jahren hatten wir dieses Theater schon mal. Am Ende ist doch gar nichts passiert." Die Leute hätten eher Angst vor der Gegenreaktion, wenn jetzt große Aktionen anliefen. Und der ehrenamtliche Fußball-Kneiper Ernst sagt: "Das ist wie in einem Hornissennest: Wenn man ihnen nichts tut, lassen die Rechten einen in Ruhe. Das meinen viele". Er wartet am Tresen auf das Ende des Treffens.

Doch das sind die einzigen Trebnitzer Stimmen an diesem Abend. Ein Spaziergänger schaut von draußen in den viel zu großen Saal hinein. Die anderen Teilnehmer am Tisch sind Mitglieder des Bündnisses gegen Rechts aus Bernburg, des Vereins Miteinander aus Halle, ein Beamter des Staatsschutzes, Reiner Straubing von der Gewerkschaft Verdi, aber auch Pfarrer Johannes Hillger aus Könnern. "Mich beschäftigt dieses Riesengebäude aus Angst sehr, das offenbar bereits aufgebaut ist. Wenn alle so reagieren, jeder sich selbst in Sicherheit wiegt, dann können Dinge geschehen, die es in Deutschland schon einmal gab", sagt er.

Darauf vertrauen, dass alles ruhig bleibe, dies sei die falsche Strategie, warnt Sebastian Striegel vom Verein Miteinander. Auch 2001, als Rechtsextreme das Schloss das erste Mal besaßen, blieb es nicht ruhig. Da erinnert sich Kneiper Ernst gut: "2001, als schon einmal die Nazis hier waren, wurden wir selbst beim Verlassen des Dorfes von der Polizei kontrolliert. Und bei unserem Nachtangeln mit Feuer, war das ganze Dorf von der Polizei abgeriegelt." Glücklicherweise sei danach alles ruhig geblieben.

"Die neuen Besitzer sind aber ein anderes Kaliber als der frühere Eigentümer. Sie werden die Immobilie mit einem bestimmten Ziel erworben haben", sagt Striegel.

Was wollen die Neonazis mit dem Schloss? Im Gutachten der Zwangsversteigerung steht ein Sanierungsbedarf von zwei Millionen Euro. Wollen sie tatsächlich ein bundesweites Schulungs- und Ausbildungsheim einrichten? Richard Schmid, Verdi- und Attac-Mitglied, der seit sieben Jahren in Könnern lebt, sagt: "Ein Spekulationsobjekt ist es nicht. Für Wehrsportübungen im Wald fehlt der Wald und für Versammlungen und Konzerte ist der ehemalige Rittersaal zu klein. Ein Schulungszentrum wäre schon sehr wahrscheinlich." Den Trebnitzern müsse klar sein, dass eine Ansiedlung mit ihrer überregionalen Bedeutung auch sehr große Folgen für den Ort hätte.