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Quedlinburg Quedlinburg: Schatz-Hüter brauchen oft einen langen Atem

Von HENDRIK KRANERT 20.09.2009, 18:26

QUEDLINBURG/MZ. - Herren mit Sakko und Krawatte diskutieren angeregt mit Männern in Tarnfleckhose und Anglerweste über experimentelle Scheiterhaufen. Die auf den ersten Blick etwas skurril wirkende Mischung ist das Jahrestreffen der sachsen-anhaltischen Bodendenkmalpfleger.

Mit Ernst und Fachwissen

Das Wort Hobby-Archäologen hört man hier nicht so gern. Denn die Zunft geht ihrer Profession zwar ehrenamtlich, aber mit großem Ernst und jeder Menge Fachwissen nach. Doch auch wenn mit 170 mehr als die Hälfte der rund 300 Ehrenamtlichen aus dem ganzen Land an diesem sonnigen Wochenende den Weg in das barocke Stadtschloss gefunden haben - es gibt Existenzängste. "Der Altersdurchschnitt macht uns Sorgen, ich fürchte, wir werden unser enges Netz von Ehrenamtlichen nicht so dicht halten können", sagt Veit Dresely, Abteilungsleiter Bodendenkmalpflege beim Landesamt für Archäologie.

Menschen wie der Magdeburger Wilfried Fricke und Ronald Mnich aus Wackersleben (Börde) sind es, auf die die hauptamtlichen Archäologen angewiesen sind. Fricke, Mnich und ihre Kollegen sind so etwas wie die Hüter noch unentdeckter historischer Schätze.

Bereits als Schuljunge habe ihn die Suche nach Scherben begeistert, erzählt der 68-jährige Fricke. Seitdem ist er rund um Magdeburg unterwegs, um auf frisch gepflügten Äckern nach Zeugnissen längst vergangener Siedlungsgeschichte zu suchen. Der Tiefbauingenieur wirft aber auch regelmäßig den Blick in Baugruben - nicht immer zur Begeisterung der Bauherren.

Blick in die Baugrube

Bei Ronald Mnich, bis dato eher mit einem Faible für Mineralien und Fossilien ausgestattet, erwachte die Begeisterung für die Archäologie erst später: Der heute 40-Jährige hatte 1995 eine Reportage über einen Bildungsurlaub für Bodendenkmalpfleger im Fernsehen gesehen. "Das muss ich auch machen", war für den Anlagenbauer klar. Er überzeugte seine Frau davon, einen Teil des Urlaubs auf Knien im Dreck, mit Pinsel und Spatel bewaffnet, zu verbringen.

Diese Art der Freizeitgestaltung ist es, die nicht nur Mnich inzwischen seit 14 Jahren begeistert. "Es ist die Mischung aus Naturerlebnis, Erholung und sinnvoller Freizeitbeschäftigung", sagt Fricke, die ihn immer wieder nach draußen treibt. Natürlich spielt das Finden an sich eine gewaltige Rolle bei der Arbeit. Es braucht Geduld, um die erste Scherbe zu bergen, und manch' ambitionierter Nachwuchs-Archäologe verlor schon die Lust. "Die Zahl der Anfragen bei uns ist da, doch das Durchhaltevermögen steht auf einem anderen Blatt", sagt Dresely. Während Fricke auf seinen wirklich großen Fund fast 40 Jahre warten musste, gelang Mnich sein Meisterstück bereits bei einer seiner ersten Grabungen in Niederbayern: "Ich habe die Venus von Aufhausen entdeckt", erzählt er von seinem Fund 1997. Das 6 000 Jahre alte Gefäß in Menschenform gilt als kulturhistorische Sensation.

Eine solche förderte Fricke 1990 zutage: Bei einer gezielten Begehung einer Sanddüne nahe Gommern (Jerichower Land) glitzerte es plötzlich verdächtig. "Es sah aus wie in der Auslage eines Juweliergeschäfts", erzählt Fricke. Vor ihm lagen die ersten Beigaben des Fürstengrabes von Gommern. Doch solche Dimensionen braucht es gar nicht, erzählen beide. "Jede Scherbe, jede Pfeilspitze ist etwas Besonderes", sagt Fricke. Und Ansporn, weiter bei Wind und Wetter über matschige Äcker zu stiefeln.