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Psychosoziale Beratung durch Studentenwerk Halle Psychosoziale Beratung durch Studentenwerk Halle: Reden ist Gold für gestresste Studenten

Von Cornelia Fuhrmann 14.01.2014, 06:53
Die Sozialpädagogin Annett Zehnpfund (rechts) gehört zu den Mitarbeitern der psychosozialen Beratung des Studentenwerks Halle. Sie hält regelmäßig Sprechstunden und Gruppengespräche ab.
Die Sozialpädagogin Annett Zehnpfund (rechts) gehört zu den Mitarbeitern der psychosozialen Beratung des Studentenwerks Halle. Sie hält regelmäßig Sprechstunden und Gruppengespräche ab. Jens Schlüter Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Der Prüfungstermin rückt immer näher, die Klausuren am Semesterende erscheinen wie ein unüberwindbarer Berg, die viele Seiten lange, wartende Abschlussarbeit wird Tag um Tag hinausgeschoben. Und im Hinterkopf schwirrt zudem das gesamte Studium über der Gedanke herum, dass mit einer endgültig nicht bestandenen Prüfung in nur einem Modul gleich alles vorbei sein kann. „Das Bachelor- und Mastersystem ist verschulter mit mehr Präsenzveranstaltungen und enthält für die verkürzte Studienzeit viel Lernstoff. Der Druck auf Studenten hat eindeutig zugenommen“, sagt Annett Zehnpfund. Damit steige der psychosoziale Beratungsbedarf, den die Sozialpädagogin als Teil des zehnköpfigen Beratungsteams des Studentenwerks Halle abdeckt.

Studentenwerk Halle hilft auch Studenten aus Köthen, Dessau, Bernburg oder Merseburg

Immerhin habe es von 2007 bis 2012 eine relative Steigerung von fast 81 Prozent bei den Beratungskontakten gegeben, heißt es vom Studentenwerk Halle. Dorthin können sich alle Studenten der Hochschulen in Halle, Köthen, Dessau, Bernburg oder Merseburg wenden, wenn sie das Gefühl haben, psychisch mit ihrem Studium oder privaten Problemen nicht mehr zurechtzukommen.

In Halle sind sechs Berater tätig, in Bernburg, Köthen, Dessau und Merseburg jeweils einer. Insgesamt werden so pro Woche 17 Stunden Beratung angeboten. „Wir sind sehr gewachsen, das Studentenwerk hat gut auf den wachsenden Bedarf reagiert“, sagt Annett Zehnpfund, die seit 2009 beim Studentenwerk auf Honorarbasis berät und außerdem als Schulsozialarbeiterin tätig ist.

„Oft sind falsche Vorstellungen vom Studium eine Ursache“

Das Beratungsangebot werde gut angenommen, auch weil es sehr „niederschwellig“ sei. Das heißt, die Kontaktaufnahme und Terminvergabe erfolgt meist unkompliziert per E-Mail oder per Telefon. Außerdem, so hat Zehnpfund beobachtet, werden die Studenten immer offener für ihre eigene psychische Verfassung und sei die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen, nicht mehr so hoch. Das merke man beispielsweise auch daran, dass immer mehr Männer die Beratung nutzen, statt das als Schwäche zu sehen.

Die Gründe für psychische Probleme im Studium sind vielfältig. „Aufschieberitis“, Prüfungs- und Versagensängste, Drogen- oder Mediensüchte oder Probleme mit Eltern oder Partner sind nur ein Teil. „Oft sind falsche Vorstellungen vom Studium eine Ursache“, sagt Zehnpfund. Die jungen Leute kämen frisch vom Abi, die Lebensumstände ändern sich plötzlich, man müsse sich selbst organisieren. Auch Einsamkeit sei dann oft ein Faktor. „Da trifft einen vielleicht auch so ein bisschen die Realität“, sagt sie. Sie merke zumindest, dass es jenen besser gehe, die vor dem Studium noch etwas anderes - eine Ausbildung oder ein Freiwilligenjahr - gemacht haben.

Über "Plan B" nachdenken

Oftmals sei das Studium nur vordergründig das Problem, sozusagen die „Eintrittskarte“ zur Beratung. Bei Terminen würden manchmal dann andere Probleme zum Vorschein kommen - oder auch psychische Erkrankungen wie eine Depression. Viele, die sich überfordert fühlen, haben auch Zukunftsängste oder finanzielle Sorgen und trauen sich deshalb nicht, ein Studium, das sie unglücklich macht, abzubrechen. Immerhin könne danach tatsächlich Hartz IV drohen. Da müsse man Entlastung schaffen. „Deshalb ist es auch Teil der Gespräche, über einen Plan B nachzudenken“, sagt die 35-Jährige.

Die Beratung ist anonym, vertraulich und kostenlos, auch falls mehrere Termine, die üblicherweise im Abstand von sechs bis acht Wochen erfolgen, nötig sind. Zusätzlich gibt es Selbsthilfegruppen, zu denen jeder auch ohne Anmeldung kommen kann sowie beispielsweise eine von Zehnpfund geleitete Gruppe zum Thema Prüfungsangst. Viele bräuchten vor allem Hilfe dabei, herauszufinden, was überhaupt das Problem ist. Wenn die Berater jedoch merken, dass mehr nötig ist, als das Studentenwerk-Angebot leisten kann, werden ambulante Therapien oder Tageskliniken vorgestellt. Denn: „Wir können keine Diagnosen stellen“, sagt Annett Zehnpfund.