Prozess Prozess: Frust und Provokation enden in tödlicher Prügelattacke
Halle/MZ. - Andererseits sei sie zwar in eine Zeit gefallen, in der nach dem brutalen Überfall vorbestrafter Jugendlicher auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn ganz Deutschland über Jugendkriminalität diskutierte. "Dieser Fall hier ist dennoch untypisch", so zur Nieden.
Der Angeklagte Eric W. sei in einem ordentlichen Elternhaus aufgewachsen und nur einmal aufgefallen, als er mit Freunden in eine leer stehende Klinik einstieg. Das war drei Jahre vor jener verhängnisvollen Nacht im Januar. Fünf Jahre und sechs Monate muss der 18-Jährige nun wegen Totschlags im minder schweren Fall in Haft.
Nach Überzeugung des Gerichts hat er auf dem Hettstedter Markt so lange auf eine 54-Jährige eingeschlagen und -getreten, dass diese an den Folgen schwerer Kopfverletzungen starb. W. sei zu dieser Zeit allgemein vom Leben frustriert gewesen, glaubt das Gericht. Mit seiner Lehre in Hamburg war er im Dezember 2007 gescheitert. W. zog wieder zu den Eltern in Hettstedt.
Dass ein missglückter Bordellbesuch Grund für Aggression gewesen sein soll, sieht das Gericht im Gegensatz zur Anklage nicht. Zwar war W. mit Freunden am Abend vor der Tat in einem halleschen Bordell. Sex sei dort aber wohl ohnehin nicht geplant gewesen, so zur Nieden. Noch danach in einem Hettstedter Lokal habe sich W. "völlig unauffällig" verhalten, erst später angefangen, Passanten anzugreifen und zu randalieren.
Unter anderem hatte W. eine Pizzeria verwüstet, ehe er auf dem Markt auf sein Opfer Elisabeth M. traf. Da war er nur noch mit Boxershorts, Socken und Schuhen bekleidet. "Es ist wahrscheinlich, dass die Frau deshalb einen Kommentar abgegeben hat, der bei ihm so eine Reaktion auslöste", sagte zur Nieden. Anders sei die Tat des von allen Zeugen als ruhig und erträglich beschriebenen 18-Jährigen nicht erklärbar. Die schwer alkoholkranke Elisabeth M. sei bekannt dafür gewesen, sich im betrunkenen Zustand unflätig zu benehmen. "Aber ganz egal, was sie zu Ihnen gesagt hat: Das ist eine schwere Schuld, die Sie auf sich geladen haben", so zur Nieden zum Angeklagten.
Dass W.s Angriff vermutlich Folge einer Beleidigung war - er selbst kann sich nach eigenen Angaben an die Tat nicht erinnern -, wertete das Gericht ebenso strafmildernd wie seine erhebliche Alkoholisierung (1,71 Promille). Die Anwendung von Jugendstrafrecht begründete zur Nieden mit Reifeverzögerungen. "Selbst bei Erwachsenenstrafrecht hätten in diesem Fall aber maximal siebeneinhalb Jahre verhängt werden können."