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Projekt an der Universität Halle Projekt an der Universität Halle: Studenten entwickeln neuartiges Reha-Programm

Von Cornelia Fuhrmann 04.03.2015, 10:30
Andy Kämmer versucht, mittels Gewichtsverlagerung eine Kugel auf einem Spielbrett in ein Loch zu bewegen. Das Computerspiel wird an die Wand vor ihm projiziert, während Benjamin Körner (links stehend) erklärt.
Andy Kämmer versucht, mittels Gewichtsverlagerung eine Kugel auf einem Spielbrett in ein Loch zu bewegen. Das Computerspiel wird an die Wand vor ihm projiziert, während Benjamin Körner (links stehend) erklärt. Andreas Stedtler Lizenz

Halle (Saale) - Mit den Armen rudernd steht Andy Kämmer auf einem weißen Brett und versucht, das Gleichgewicht zu halten. Er will mittels Gewichtsverlagerung auf einem sogenannten Balance Board (Gleichgewichtsbrett) eine goldbraune Kugel an verschiedenen Hindernissen vorbei möglichst schnell in ein grünes Loch manövrieren. Ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren.

Die Hindernisse, die Kugel und der Parcours befinden sich dabei an der Wand vor ihm - per Beamer vom Computerbildschirm übertragen. Gerade hat er zusammen mit Benjamin Körner stellvertretend für alle insgesamt acht beteiligten Kommilitonen das Semesterprojekt „Reha Balance“ vorgestellt.

Studenten entwickeln Computer-Programm

Die Wirtschaftsinformatik-Studenten der Universität Halle haben im Auftrag der Stabsstelle Pflegeforschung der Uni-Klinik Halle ein Computer-Programm entwickelt, das unter anderem in der Therapie von Patienten mit halbseitiger Lähmung oder bei Krebspatienten, die aufgrund der Chemotherapie Nervenschädigungen erlitten haben, sowie als Sturzprophylaxe bei älteren Menschen zum Einsatz kommen könnte.

„Bereits erhältliche ähnliche Spiele sind nicht für Therapiezwecke gedacht. Sie haben Menüs mit vielen irrelevanten Punkten, sind zu kindlich-bunt konzipiert und haben teilweise hohe Lade- und Wartezeiten“, erklärt Andy Kämmer. Mit dem Reha-Balance-Projekt wolle man einen Ausgleich schaffen.

Von den Studenten wurden drei einfach strukturierte Spiele sowie Bedien-Oberflächen für Patienten und Therapeuten entwickelt. So könne sich der Patient auf das Wesentliche, nämlich die Therapie, konzentrieren, es lenke nichts unwichtiges ab. „Wichtig ist, die Motivation aufrecht zu halten“, sagt Kämmer. Noch ist das Programm ein Prototyp, doch eine Testphase wird ebenso angestrebt wie eine Bewertung seitens Reha-Medizin oder Sportwissenschaften.

Außer einem Gleichgewichtsbrett braucht es keine besondere Technik, um die windowsbasierte Software zu nutzen. „Ein gängiger, zwei bis drei Jahre alter Heim-PC sollte dafür ausreichen“, erklärt Kämmer. Das Brett werde auf den jeweiligen Anwender kalibriert.

Spiel kann an Patienten angepasst werden

Die Spiele sollen dabei konfigurierbar sein. Ein Therapeut könne damit beispielsweise die Spieldauer und den Schwierigkeitsgrad einstellen und ein Spiel somit an den jeweiligen Patienten anpassen. Außerdem könne der Therapeut eigenständig neue Patienten mit dem Programm erfassen und diesen individuelle Trainingspläne erstellen, erklären die Studenten. Auch eine Auswertungsfunktion mit Bewegungsdaten, Punktzahl und Unterbrechungszeiten ist enthalten sowie die Möglichkeit, Werte wie Puls und Blutdruck einzutragen.

„Die Therapeuten können damit die Parameter für die Spiele je nach Bedarf verändern“, so Kämmer. Weitere Ideen für das Projekt sehen vor, dass künftig beispielsweise Daten wie der Puls automatisch von den Messgeräten an das Programm übertragen werden könnten, erklärt Kämmer. Auch sei denkbar, dass die jeweiligen Datenbanken von Therapeuten oder Uni-Klinik, in denen die Patienten erfasst sind, genutzt werden könnten.

Dass es daran Interesse gibt, beweist Wolfgang Göricke. Der Leiter eines Pflegeheims in Halle verfolgt als Gast die Präsentation von „Reha Balance“. „Ich könnte mir vorstellen, das in der Beschäftigung einzusetzen“, sagt er. Erfahrung habe man in seiner Einrichtung noch keine damit, aber er wolle sich mit den Physiotherapeuten besprechen. Zumal es möglich ist, die „Trainingsstätte“ mit Haltesystemen zu kombinieren. Wie Studien gezeigt hätten, so André Golla vom Institut für Rehabilitationsmedizin der Uni Halle, sei auch bei älteren Menschen die Akzeptanz für solche Therapiemethoden gestiegen. (mz)

Andy Kämmer steht auf einem sogenannten Balance Board. Es steht fest auf dem Boden und registriert schon kleinste Gewichtsverlagerungen.
Andy Kämmer steht auf einem sogenannten Balance Board. Es steht fest auf dem Boden und registriert schon kleinste Gewichtsverlagerungen.
Andreas Stedtler Lizenz