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Politprojekt Politprojekt: Riesenlaster kommt auf Touren

Von Steffen Höhne 20.02.2008, 19:55

Triptis/MZ. - Seine Freunde nennen ihn einen "Pfundskerl". Seine Gegner einen "sturen Hund". Der stämmige Bayer Helmut Fliegl ist ein Mensch, der polarisiert und viel bewegt. Im Jahr 1991 kam der damals 22-Jährige in die ostthüringische Kleinstadt Triptis und übernahm ein landwirtschaftliches Instandsetzungswerk. Der gelernte Schlosser fing mit der Fertigung von Pritschen-Anhängern an. Heute ist Fliegl Fahrzeugbau der viertgrößte Hersteller von Sattelaufliegern in Deutschland.

Fliegl sieht sich als solider Mittelständler. Firmenverwaltung und Wohnung der Familie sind unter einem Dach. Stolz ist der Unternehmer auf sein 2006 eröffnetes zweites Werk an der A 9. In die Schlagzeilen kam das Unternehmen mit 290 Mitarbeitern in den letzten Wochen jedoch mit seinem Kampf für den Einsatz von umstrittenen Riesenlastern.

Als einziger deutscher Hersteller stellt Fliegl nach eigenen Angaben in großer Stückzahl die Auflieger und Anhänger her, die in Lastzügen mit einer Länge von 25,25 Metern rollen. "Wir fertigen jährlich 200 Stück für Kunden in Russland, Schweden und Tschechien", sagt er. "Nur in Deutschland verkaufen wir wegen mächtiger Lobbyisten keine der Longliner." Die Verhinderer sind seiner Ansicht nach die Deutsche Bahn und der Automobilclub ADAC. Die Bahn wolle mehr Verkehr auf die Schiene verlagern, obwohl dies oft nicht möglich sei.

Nach Ansicht Fliegels sprechen die Fakten für den Longliner: "Der Lkw-Verkehr steigt laut Experten bis 2020 um 40 Prozent. Durch die Steigerung des Nutzvolumens können zwei Longliner die Ladung von drei herkömmlichen Lastwagen aufnehmen. Das spart Kosten und schont die Umwelt." Den Einwand, die Riesenlaster - ob als Longliner mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen oder als 60 Tonnen schwere Gigaliner - würden durch ihr Gewicht die Straßen zerstören, lässt Fliegl nicht gelten. "Durch die zusätzlichen Achsen verteilt sich das Gewicht mehr, dies schont die Straßen sogar." Davon haben Fliegl und andere regionale Verkehrsunternehmen den Thüringer Verkehrsminister Andreas Trautvetter (CDU) - der seinen Wahlkreis im benachbarten Jena hat - überzeugt.

Obwohl sich die Länder-Verkehrsminister im vergangenen Herbst mehrheitlich gegen die Zulassung der Super-Trucks entschieden, werden voraussichtlich zwei dieser Laster künftig in Thüringen rollen. In einem zeitlich begrenzten Pilotprojekt will zunächst die Firma Breckle mit Riesenlastwagen Matratzen aus dem ostthüringischen Weida nach Erfurt fahren. Start soll Anfang März sein. Zudem liegt im Ministerium ein Antrag des Zwieback-Herstellers Brandt vor, der zwischen Ohrdruf und Hermsdorf die Laster einsetzen möchte. Eingeschränkt ist allerdings das Gewicht auf 40 Tonnen - 60 Tonnen wären möglich (siehe: "Studie gibt schlechte Noten"). Für Trautvetter sind die Longliner "eine überzeugende Antwort auf das drastisch gestiegene Güterverkehrsaufkommen." Und der Beschluss der Verkehrsminister sei "kein bindendes Recht", das einen Test ausschließe.

Doch auch die Gegner haben sich formiert: Der Verein "Allianz pro Schiene" - sie steht der Bahngewerkschaft Transnet nahe - wirft Trautvetter "Lobbypolitik" vor. Allianz-Geschäftsführer Dirk Flege sagte: "Hintergrund ist offensichtlich, dass mit Fliegl und "Schmitz Cargo Bull" zwei große Fahrzeughersteller den Gigaliner in Thüringen produzieren." Für den Automobilclub ADAC sprechen vor allem Sicherheitsbedenken gegen die langen Laster: "Das Überholen auf Landstraßen dauert deutlich länger und ist damit gefährlicher."

Dies gehörte auch zu den Erfahrungen eines Pilotprojektes des Landes Niedersachsen, an dem sich auch Sachsen-Anhalt beteiligte. Landesverkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) lehnt die großen Laster jedenfalls ab. Und die Skeptiker wissen die Öffentlichkeit auf ihrer Seite: Bei einer Forsa-Umfrage 2007 haben sich 76 Prozent der Thüringer gegen eine Zulassung der Gigaliner ausgesprochen.

Unternehmer Fliegl ficht dies nicht an: "Als starker Logistikstandort kann Deutschland nicht alle Neuerungen kategorisch ablehnen." Er verweist darauf, dass sich in den Niederlanden, Schweden und Finnland die Longliner längst bewährt hätten. Andere EU-Länder würden folgen. Die Gegner halten den vermeintlichen "Siegeszug" eher für einen PR-Gag: Denn in vielen europäischen Staaten seien die Riesenlaster bisher durchgefallen.