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Politik-Prominenz bei der Leipziger Messe Politik-Prominenz bei der Leipziger Messe: Honecker im Schaufenster

Von RALF BÖHME 29.06.2015, 15:06
Am Rande der Leipziger Messe trafen sich Spitzenfunktionäre der DDR mit westdeutschen Politikern, hier Erich Honecker mit Franz Josef Strauß 1984.
Am Rande der Leipziger Messe trafen sich Spitzenfunktionäre der DDR mit westdeutschen Politikern, hier Erich Honecker mit Franz Josef Strauß 1984. LEIPZIGER MESSE Lizenz

Leipzig - Ein Toast auf den Klassenfeind. Kreml-Chef Chruschtschow hatte es 1959 vorgemacht, am Messestand von Krupp. Ulbricht und Honecker folgten ihm mit großer Ausdauer. Keine Messe verging ohne den offiziellen Rundgang - bis 1989 war es immer auch ein medialer Höhepunkt.

Der wohl uneinholbare Rekord wurde zwei Jahre vor dem Ende der DDR erreicht. Das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" veröffentlichte 41 Fotos, im Grunde mit einem einzigen Motiv: Honecker im Gespräch mit internationalen Ausstellern. Das war selbst für linientreue Leser zu viel. Der Volksmund sprach prompt vom Messe-Zirkus. In der Zeit der deutschen Teilung war die Leipziger Messe der vielleicht wichtigste Spalt im Eisernen Vorhang.

Zweimal im Jahr trafen hier die Wirtschaftsführer und Politiker des Westens mit den Funktionären des Ostens zusammen - unkomplizierter, als das sonst irgendwo möglich war. Einer der einflussreichsten Gäste war zum Beispiel CSU-Chef Franz Josef Strauß. Als bayerischer Ministerpräsident hatte Strauß 1983 den umstrittenen Milliardenkredit westdeutscher Banken für die angeschlagene DDR eingefädelt. Zwischenfälle an der innerdeutschen Grenze, militärische Drohgebärden von Nato und Warschauer Vertrag und viele andere Widrigkeiten - die Drehscheibe des Ost-West-Handels kam trotzdem nie ganz zum Stillstand.

Leipzig hatte die Nase vorn

Nicht einmal kurz nach dem Mauerbau am 13. August 1961. Zogen westdeutsche Firmen aus unterschiedlichsten Gründen sich zeitweilig zurück, vergrößerten sogleich Frankreich, Italien oder Belgien ihre Ausstellungsflächen. Das Geschäft mit dem Ostblock wollte sich niemand entgehen lassen. Es galt für beide Seiten als nützlich, hieß es immer. Für westliche Anbieter und Händler war die Zusammenarbeit mit dem Billiglohn-Land von nebenan oft sogar besonders einträglich. Kein Wunder, dass 1965 im 800. Messejahr schon 10 500 Aussteller nach Leipzig kamen, etwa die Hälfte aus dem Ausland. Damit lag die Stadt an der Pleiße weit, weit vor anderen sozialistischen Handelsplätzen wie zum Beispiel Zagreb oder Budapest. Wunder konnte die Leipziger Messe freilich auch nicht vollbringen.

Träume zum Greifen nah

Zwar konnten die Einheimischen, ob der ungeheuren Warenvielfalt in den Messehäusern und auf dem Gelände der Technischen Messe am Völkerschlachtdenkmal, dort über Jahrzehnte immer wieder das Staunen lernen. Trabi-Fahrer zum Beispiel, die sich für die neuesten westlichen Autos interessierten, nur hier kamen sie ihren Träumen zum Anfassen nah. Doch gleichzeitig wurde sichtbar: Wie das ganze Land fuhr auch die Messe am Ende zunehmend auf Verschleiß. Kosmetische Kniffe konnten daran kaum etwas ändern. Ein zu DDR-Zeiten als geheim eingestuftes Gutachten sprach bereits Ende der 1970er Jahre davon, dass die Messebauten 1990 weitgehend marode sein werden. Ein Neuanfang war fällig. (mz)