Perspektive Perspektive: Lieber hierbleiben
Halle (Saale)/MZ. - Jonas Malur ist dieser Tage im Stress. Er muss die letzten Prüfungen seines Masterstudiums im Fach Politik bestehen. Gleichzeitig schreibt der 28-Jährige Bewerbungen und wartet auf Rückmeldung auf seine ersten Vorstellungsgespräche. Er bewirbt sich unter anderem in der Bildungsbranche - und er bewirbt sich bisher nur in der Region.
Malur ist einer der halleschen Uni-Absolventen dieses Jahres, die gegen den gefühlten Trend nicht nach dem Studium wegziehen wollen. In die alten Bundesländer etwa, dahin also, wo das Lohnniveau höher ist als in Sachsen-Anhalt. Und er ist kein Einzelfall. Das Interesse, nach dem Studium einen Job in der Region zu finden, sei durchaus hoch, sagt Tina Küstenbrück vom Career Center der Universität Halle. Die 2008 gegründete Serviceeinrichtung der Hochschule soll Studenten auf den Berufseinstieg vorbereiten und Absolventen bei der Jobsuche unterstützen. "Wer nach dem Studium in der Region bleiben will, der sollte das frühzeitig vorbereiten", rät Küstenbrück. Ein Praktikum in einem hiesigen Unternehmen könne der erste Schritt zum Job nach dem Studium sein, sagt Küstenbrück. Daran hätten auch die Firmen ein Interesse. Immer häufiger fragten diese beim Career Center nach geeigneten Absolventen. Ein gemeinsam mit regionalen Unternehmen veranstaltetes Assessment Center bringt Studenten und Personalchefs zusammen.
Die Gründe hierzubleiben sind verschieden. Im Fall von Malur ist es seine Familie. Denn seine Frau, mit der er vor drei Jahren aus Erfurt nach Halle zog, mache sich nach ihrem Studium an der Burg Giebichenstein derzeit selbstständig. Sie hat Spiel- und Lernmitteldesign studiert. Als Existenzgründerin komme ein Umzug nicht in Frage. Und pendeln möchte der 28-Jährige nicht, schließlich hat das Paar eine zweijährige Tochter. "Die möchte ich eigentlich nicht nur am Wochenende sehen." Ganz einfach ist die Arbeitssuche in der Region allerdings nicht: "Die meisten Stellen für Politikwissenschaftler werden im Westen angeboten. "
Das Career Center der Uni Halle biete in seiner Internet-Jobbörse für Malurs Studienabschluss derzeit "zwei, drei Jobs in Berlin an und eine Arbeitsstelle in Sachsen-Anhalt - das ist ziemlich mau", sagt der Politikwissenschaftler. Der Absolvent schreibt deshalb viele Initiativbewerbungen, also Bewerbungen an Unternehmen, ohne dass diese eine entsprechende Stelle ausgeschrieben haben.
Dass die Löhne in den neuen Bundesländern meist niedriger sind als in den alten, kümmere ihn als Berufseinsteiger wenig, sagt Malur. Hauptsache, er könne mit dem Gehalt für seine kleine Familie sorgen. 30 000 Euro im Jahr seien dabei für ihn der Mindestwert, sagt Malur. Überhaupt, um langfristig in der Region Halle zu bleiben, müssten die Konditionen im Job zwar stimmen, aber nicht vorrangig finanziell, sondern vor allem in Sachen Arbeitsumfeld und Team.
Und in die westlichen Bundesländer umziehen zum Arbeiten? "Wenn meine Familie mitgehen würde, dann ja", sagt Malur. Keinesfalls aber alleine, wie er es aus seinem Bekanntenkreis kennt. "Sich in den Job und in ein neues Umfeld mit anderer Mentalität zu integrieren, ganz alleine, das stelle ich mir schwierig vor", sagt Malur. "Hier in der Region weiß ich, woran ich bei den Menschen bin."
Die unterschiedliche Mentalität in anderen Bundesländern, sagt auch Sina Keusch, das sei das eine. Die 26-Jährige hat ihren Bachelor im Fach Volkswirtschaft im September abgeschlossen. Das noch stärkere Argument dafür, in Sachsen-Anhalt zu bleiben, ist für sie aber der Kontakt zum Freundeskreis und zu den Eltern in Halle. Für den ersten Job weit wegzuziehen, ist keine verlockende Option für Keusch. "Vor allem wenn man dann Kinder hat, will man doch, dass man in der Nähe der eigenen Eltern wohnt", sagt die Absolventin. Aus ihrem Bekanntenkreis seien die meisten Leute in der Region geblieben. Diejenigen, die zum Arbeiten in die alten Bundesländer gezogen sind, seien möglichst bald wieder zurückgekommen.
Wie lange sie allerdings auf einen Job in der Region warten würde, bevor sie sich doch in anderen Bundesländern bewirbt, vermag die Absolventin, die hauptsächlich in den Bereichen Verwaltung und Personalmanagement nach Stellenangeboten sucht, nicht zu sagen. Vielleicht doch gar nicht so lange. Denn: "Ich mag es nicht, zu Hause rumzusitzen", sagt Keusch. Sie habe inzwischen ihre ersten Vorstellungsgespräche absolviert. "Ich erwarte schon, dass es bald mit einem Job klappt."