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Orkanschäden Orkanschäden: «Kyrill» zermalmt historische Mühle bei Jena

Von Katrin Zeiß 23.01.2007, 08:25
Vertreter der Stadt Jena und des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege begutachten am Montag (22.01.2007) die Reste der rund 270 Jahre alten Bockwindmühle in Krippendorf bei Jena, die in der Nacht zum 19.01.2007 durch den Orkan «Kyrill» zerstört worden ist. (Foto: dpa)
Vertreter der Stadt Jena und des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege begutachten am Montag (22.01.2007) die Reste der rund 270 Jahre alten Bockwindmühle in Krippendorf bei Jena, die in der Nacht zum 19.01.2007 durch den Orkan «Kyrill» zerstört worden ist. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Jena/dpa. - Gegen 23 Uhr in der Nacht zum Freitag zerlegte«Kyrill» das von Westermann mühevoll restaurierte, unterDenkmalschutz stehende Bauwerk. Die Mühle, die einst NapoleonsSchlacht bei Jena 1806 ohne einen Kratzer überstand, ist nur noch ein Haufen Bretter. Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) hatzu Spenden für den Wiederaufbau aufgerufen. Allerdings ist bislangungewiss, ob und wie die Mühle wieder aufgebaut werden kann.

«Das sieht gar nicht gut aus», sagt Alfred Kirsten, Vorsitzenderdes Thüringer Landesvereins für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung, alser die Reste der Mühle in Augenschein nimmt. Vielleicht seien ja nochein paar Balken verwendbar. «Wenn Wiederaufbau, dann als kompletterNeubau, aber das ist nicht dasselbe wie das Original.»

Für den Verein ist die Zerstörung der Krippendorfer Mühle einherber Verlust. Nun existieren in Thüringen nur noch 17Bockwindmühlen. Der Schaden trifft den Verein just in dem Jahr, indem er Gastgeber für die Eröffnung des bundesweiten Mühlentags ist.Alljährlich am Pfingstmontag lockt der Mühlentag ZehntausendeBesucher an.

Für Mühlenbesitzer Westermann ist der Schaden ohnehin nicht inEuro und Cent zu beziffern. «Der ideelle Wert wiegt viel schwerer.»Die elf Meter hohe Mühle mit ihren neuneinhalb Meter langen Flügelnstand weithin sichtbar frei auf einem Hügel oberhalb Krippendorfs.Errichtet wurde sie von 1738 bis 1742. In der Napoleon-Schlacht beiJena 1806 diente sie als Orientierungspunkt für die Soldaten. Aufalten Darstellungen ist die Mühle zu sehen.

«Sie gehört zum historischen Schlachtgelände, zur Identität desOrtes einfach dazu», wirbt Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröterfür den Wiederaufbau der Mühle in dem Jenaer Ortsteil. «Es wäre einwirklicher Verlust, wenn man den Versuch nicht wenigstens unternehmenwürde.»

Werner Westermann schloss erstmals kurz nach dem Zweiten WeltkriegBekanntschaft mit der Mühle. Später bewirtschaftete er sie gemeinsammit seinem Schwiegervater. Die Bauern der Umgebung lieferten hier dasGetreide zum Mahlen ab. Als die landwirtschaftlichen Genossenschaftendazu übergingen, ihr Korn in Großsilos zu lagern, war Schluss mit demMahlen. Seit 1976 stand die Mühle still. Auf eigene Faust begann dergelernte Maschinenbauer Westermann 1978 mit der Restaurierung. Erfertigte Skizzen und Bauzeichnungen an, klapperte die Ämter ab, umGenehmigungen für Baumaterial zu bekommen und schaffte es, dieDDR-Behörden für sein Vorhaben einzunehmen.

Ungezählte Stunden werkelte er gemeinsam mit seinem Sohn Jens.1983 war die Restaurierung abgeschlossen, das Bauwerk mit neuenHolzplanken versehen, die Mühlentechnik auf Vordermann gebracht. Jahrfür Jahr hat Westermann Denkmaltouristen die Mühle gezeigt, ihnen diedie funktionstüchtige Anlage vorgeführt, den Unterschied zwischenFein- und Grobschrot erklärt und sie mit Anekdoten erheitert.

Ob er das jemals wieder tun kann, steht in den Sternen. «Wir habennicht einmal ein Krachen gehört», erinnert sich Westermann an dieSturmnacht. Wahrscheinlich habe der Wind das Einsturzgeräusch inRichtung Dorf getragen. Er selbst habe sich nach dem Desaster beiseinem Sohn entschuldigt: «Dafür, dass ich ihm so viele Stundenseines Lebens gestohlen habe - für etwas, was jetzt null und nichtigist.»